Eine Fahrradtour zu den Schlössern der Loire


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Im Mai 1988 haben wir eine einwöchige Fahrradtour im Herzen Frankreichs durchgeführt, von der ich an dieser Stelle berichten möchte. Eine Fahrradtour an der Loire ist ideal für jemanden, der sich entschließt, zum erstenmal einen solchen Freizeiturlaub durchzuführen. Der Startpunkt liegt nur eine Auto- oder Bahntagesreise entfernt, die Strecke ist zum größten Teil flach wie das Münsterland, es gibt viele Nebenstraßen und sehr viele kleine Orte zum Übernachten. Das Angebot an Besichtigenswertem ist überwältigend. Französische Sprachkenntnisse aber sollten zumindest vorhanden sein, denn deutsch versteht hier niemand. Ideale Reisezeit für eine Fahrradtour sind das Frühjahr von Ende April bis Ende Juni oder der September und Oktober, wenn die Haupttouristensaison vorbei ist. Wenn man diesen Urlaub statt mit dem Fahrrad im eigenen Auto machen will, kann man, bedingt durch das milde atlantische Klima fast das ganze Jahr über fahren.

Wir starteten Anfang Mai mit dem Auto und unseren Fahrrädern auf dem Dachgepäckträger. Unser Ziel war Beaugency, ein kleines Städtchen an der Loire, etwa 25km hinter Orleans. Um die teuren Autobahngebühren zu sparen, wählten wir die Route Dortmund-Trier-Nancy-Toul-St.Dizier-Troyes-Sens-Orleans (etwa 700km). Unser Auto parkten wir für eine Woche an der Jugendherberge Beaugency.

Sonntag

Am ersten Tag machen wir uns per Rad auf den Weg, die Stadt der Jeanne d`Arc, Orleans, zu besichtigen. Die 30 Kilometer am Morgen auf einsamen Feldwegen über den malerischen Ort Meung sind die rechte Einstimmung auf die nächsten Stunden und Tage. Nach einem ausgiebigen Stadtbummel in Orleans machen wir uns auf den Rückweg nach Beaugency.

Montag

Der nächste Morgen bringt dann den eigentlichen Beginn der Tour, denn während wir am Vortag noch ohne Gepäck fahren konnten, haben wir nun all die Sachen, die wir in den nächsten sieben Tagen brauchen werden, in unseren Fahrradgepäcktaschen verstaut.

In Beaugency überqueren wir die alte buckelige Bogenbrücke aus dem 14.Jahrhundert und steuern einem ersten Höhepunkt unserer Fahrt entgegen, dem Schloß Chambord. Dieses Schloß wurde in einem riesigen Waldgebiet von König Franz I. errichtet und ist berühmt für seine Ausstattung mit hunderten von Türmchen und Kapitellen, mit Dachgalerien und Doppelwendeltreppen. Am südlichen Ende des Schloßparks, dessen Wald heute als Wildpark genutzt wird, besuchen wir noch das Schloß von Villesavin.  Über Schloß Beauregard erreichen wir unser Tagesziel: Blois. Nur kurz ist unser Verweilen im Ort mit seinem berühmten Königsschloß, denn im Vorort Les Grenets lockt die dortige Jugendherberge.

Dienstag

Unsere dritte Etappe führt von Blois nach Chaumont, dessen düsteres Schloß den Ort und den Fluß weithin überragt. Gegen Mittag erreichen wir Amboise, doch diesmal ist nicht das Schloß unser Ziel, sondern das Anwesen Clos-Lucé, in dem Leonardo da Vinci seine letzten Lebensjahre verbrachte und wo jetzt seine Wohnräume, ein paar seiner Bilder und nachgebaute Modelle seiner technischen Erfindungen zu besichtigen sind. Am Abend erreichen wir Tours, die Stadt des heiligen Martin und die Hauptstadt der Touraine.

Mittwoch

Am nächsten Morgen verlassen wir wieder die Stadt und folgen dem Fluß. Wir kommen am Schloß Villandry mit seinen malerischen Gärten und am Märchenschloß Ussé vorbei. Dort wo die Vienne in die Loire mündet, passieren wir eines der größten Atomkraftwerke der Welt mit seinen 14 Reaktorblöcken.

Dieses Areal wirkt schon recht beklemmend in diesem Tourismusgebiet. Eine halbe Stunde später erreichen wir die Abtei von Fontevraud, in der das Grab von König Richard Löwenherz zu besichtigen ist. Überhaupt werden wir auf unserer Fahrt ständig mit dem Wechselspiel französisch-englischer Geschichte konfrontiert. Deutlicher als jedes Geschichtsbuch zeigt uns fast jeder Ort, den wir hier besuchen, daß die Grenzen der europäischen Staaten vor wenigen hundert Jahren noch Spielball von Politik, Kriegen und Erbfolgen waren. Unserer heutiges Tagesziel ist Saumur, westlicher Wendepunkt unserer Loirereise. Da die Jugendherberge schon ausgebucht ist, müssen wir im Hotel übernachten.

Donnerstag

Am nächsten Tag geht unsere Fahrt zurück über Candes-St.Martin und entlang der Vienne nach Chinon mit seiner gewaltigen Festung. Wir fahren weiter nach Azay-le-Rideau und besichtigen hier das hübsche Wasserschloß. Nun folgen wir dem Tal des Indre bis Monts, von wo aus wir nach Tours abbiegen.

Freitag

Zum zweitenmal übernachten wir in dieser Stadt und haben uns für den folgenden Tag einen ausgiebigen Einkaufs- und Besichtigungstag vorgenommen. Stundenlang durchstreifen wir die Altstadt und besuchen die Kathedrale, Museen und das Wachsfigurenkabinett im Schloß, in dem wir viel über die Geschichte der Loireschlösser und ihrer Erbauer und Bewohner erfahren.

Samstag

Unsere 6. Etappe führt uns am Cher entlang aus Tours hinaus. Nach gut zwei Stunden erreichen wir das malerische Wasserschloß Chenonceau. Dieses Schloß überspannt auf mehreren Brückenbögen den Cher und gehört neben Chambord, Villandry und Azay-le-Rideau zu den schönsten Schlössern der Loire. Vom kunstvoll angelegten Terassengarten hat man einen wunderschönen Blick auf das Schloß. Am Nachmittag erreichen wir Chaumont sur Loire, wo unsere Fahrradtour zu Ende geht. Wir überqueren den Fluß und radeln zum Bahnhof des Ortes Onzain. Ein Zug bringt mich nach Beaugency. Ich hole das Auto und fahre damit zurück nach Onzain, wo wir die Fahrräder und unser Gepäck verladen. Wir übernachten noch einmal in Blois, bevor wir am nächsten Morgen die Heimreise antreten.


Fazit: Es war eine sehr schöne Tour, die wir wohl in ein paar Jahren mal wiederholen werden. Die Eindrücke sind überwältigend. Wenn man sich an die wenigen Jugendherbergen hält, ist man gezwungen, am Tag etwa 70 bis 90 Kilometer zu fahren. Folglich muß man bei den Besichtigungen Prioritäten setzen und viele Sehenswürdigkeiten links liegen lassen. Wenn man viel sehen will, ist es wahrscheinlich besser, sich mit drei oder vier Standorten auf einer zweiwöchigen Tour zu begnügen und mit Fahrrad, Eisenbahn oder Auto nur ein Tagesziel anzufahren. Wir haben pro Tag immer nur ein Hauptziel gehabt, wo wir dann auch nur etwa 3 Stunden verweilen konnten, da wir ja immer gegen 19 Uhr unsere Unterkunft erreichen mußten. Trotzdem erhielten wir einen faszinierenden Einblick in die französische Kultur und in die englisch-französische Geschichte, die uns ohne diesen persönlichen Bezug zu den Orten und Schlössern kein Geschichtsbuch vermitteln könnte.


Informationen: Französisches Verkehrsbüro, Kaiserstr.12, 6000 Frankfurt/Main 1; ADAC-Tourenpaket

Literatur: HB-Bildatlas 102: "Die Loire"; dtv-merian-Reiseführer "Tal der Loire"

Karten: Michelin 1:200.000; IGN 1:100.000