Kingston upon Hull an einem grauen Morgen im Mai 1991. Soeben hat uns die Fähre
Rotterdam - Hull nach einer stürmischen Überfahrt aus ihrem dunklen Fährdeck
ausgespuckt. Das Gepäck ist verstaut; los geht sie, unsere dreiwöchige Fahrradtour durch
Nordengland und Schottland.
Auf ruhigen Nebenstraßen erreichen wir Beverley, wo wir unser zweites Frühstück
einnehmen. Unser Tagesziel heißt York mit der berühmten Kathedrale. Der starke Gegenwind
macht uns Vieren zu schaffen, so daß wir spät und müde unser Tagesziel erreichen.
Am nächsten Morgen, nach der Stadtbesichtigung geht es gen Norden, in den
"North-York-Moors"- Nationalpark nach Helmsley. Ein besonderes Erlebnis für uns
ist die Fahrt mit dem alten Dampfzug der Museumsbahn von Pickering nach Grosmont, bevor
wir an unserem dritten Reisetag Saltburn an der Nordseeküste erreichen.
Seit Tagen macht uns schon ein kalter Nordostwind zu schaffen, auch auf der Etappe von
Saltburn über Middlesbrough nach Durham. Diese kleine Stadt mit ihrer imposanten
Kathedrale liegt malerisch in einer Schleife des Flusses Wear.
Nun geht es ins Gebirge. In Edmundbeyers, einem beschaulichen Dorf am Derwent-Stausee
haben wir die 300 Jahre alte Jugendherberge mit ihrem offenen Kamin ganz für uns allein.
Wegen meiner Erkältung, die ich mir auf den letzten Etappen gefangen habe, nehme ich ein
Einzelzimmer...
Am nächsten Morgen, nach der obligatorischen Putz- und Schraubstunde radeln wir
weiter, bergauf, bergab zur alten Römerstadt Hexham. Die Stadt liegt direkt am
Hadrianswall, der alten Verteidigungsanlage der Römer gegen die Pikten, den wilden
britischen Ureinwohnern.
Wir folgen dem nördlichen Tyne-Tal über Bellingham zum großen Kielder-Stausee. 10
Kilometer weiter erreichen wir unser Reiseziel - zwei Grenzsteine markieren die Grenze
zwischen England und Schottland. Hier in den "Cheviot-Hills" sind die Straßen
schmal und einsam, der schnelle Autoverkehr folgt der Küste oder nimmt die Autobahn.
Unsere erste richtige Stadt in Schottland ist Jedburgh, ein Ort in dem Königin Maria
Stuart einige Zeit gelebt hat. Unser Tagesziel ist die Jugendherberge an der Ruine der
Melrose-Abtei. Wir sind in den Borders, dem jahrhundertelang zwischen England und
Schottland umkämpften Grenzgebiet; die vielen Ruinen zeugen davon.
Die nächste Etappe bringt uns nach Edinburgh, 500km liegen hinter uns, als wir die
Hauptstadt Schottlands am 8. Tag erreichen. Ein kleines Mißgeschick bringt hier erst
einmal unsere Planung durcheinander.
Bei einer Vollbremsung an einem Fußgängerüberweg zerlege ich mein Vorderrad -
Speichensalat und Felgenbruch. Anstatt uns dem sehenswerten Edinburgh zu widmen, heißt es
am nächsten Morgen zuerst einmal das Rad zu reparieren.
Am Nachmittag haben wir noch Zeit für einen Rundgang über den Schloßberg und die
"königliche Meile", sowie eine Fahrt mit der "Whisky-Geisterbahn" im
Scottish-Whisky-Informationszentrum. Abends geht es in eine Vorführung des Musicals
"Chess".
Am nächsten Morgen fahren wir schnell hinaus aus der Stadt. Am Firth of Forth, dem
Meeresarm unterqueren wir die berühmte stählerne Eisenbahnbrücke und kommen nach
Linlithgow, wo Maria Stuart geboren wurde.
Nun können wir am Horizont bereits die blaue Silhouette der Highlands sehen, die wir morgen erreichen werden. Unser Tagesziel ist die alte Königsstadt Stirling. Nachdem wir in den letzten fünf Tagen mehr oder weniger beständiges gutes Wetter gehabt haben, ist unsere erste Bergetappe von Regen begleitet.
Die Jugendherberge am Loch Ard in den "Trossachs" liegt einsam, aber ein Pub
ist in der Nähe. Spät in der Nacht teilen zwei Glasgower Wanderer noch ihren
schottischen Landwein mit uns...
Der folgende Tag beginnt mit Regenschauern, doch gegen Mittag kommt mal wieder die
Sonne raus. Malerisch liegen kleine Seen an unserem Weg nach Killin, kilometerweit folgen
wir einem Radweg auf einer stillgelegten Eisenbahnstrecke. Die Berggipfel links und rechts
haben noch ein Schneehäubchen. Ab Killin ist unsere Gruppe nur noch zu dritt, für einen
Mitreisenden neigt sich der Urlaub dem Ende zu.
Unser nächstes Etappenziel, Crianlarich, ist ein Eisenbahnknotenpunkt mit einem
Bahnhof, einer Jugendherberge, einem Laden, 20 Häusern und einem Pub. Da auch unser
Herbergsvater im Pub lange aushält, dürfen wir länger aufbleiben.
Von Crianlarich führen zwei Wege nach Fort William. Durchs Gebirge und das Tal von
Glencoe oder zur Küste über Oban. Wir entscheiden uns für Oban und sind von folgenden
beiden Etappen etwas enttäuscht. Die anstrengendere Tour wäre die bessere gewesen, wie
uns ein Radler aus Itzehoe erzählt, den wir schon mehrfach auf unserer Fahrt getroffen
haben.
Fort William ist berühmt für seine Lage am Ausgang des "kaledonischen
Graben" und am "Ben Nevis", dem mit 1345m höchsten Berg Großbritanniens.
Gemeinsam mit unserem Freund aus Itzehoe folgen wir dem großen Tal. Vorbei am Loch Lochy,
Loch Oich erreichen wir Fort Augustus, den Ort am sagenhaften Loch Ness.
Zu unserem Bedauern ist Nessie auch von der Jugendherberge Loch Ness aus nicht zu
erspähen, so daß wir uns mit den Bildern des Nessie-Informationszentrums begnügen
müssen. Am 18. Tag unserer Reise erreichen wir Inverness, den Endpunkt unserer
Fahrradtour durch Schottland.
Unser Freund aus Norddeutschland hat noch ein paar Tage mehr Zeit und radelt weiter
Richtung Spy-Tal und Aberdeen.
Für uns aber folgt eine Odyssee durch Großbritannien mit der britischen Eisenbahn, da
ein direkter Fahrradtransport nach London nur mit langer Vorausbuchung möglich ist.
Frühzug nach Aberdeen - 10 Stunden Pause; Nachtzug nach Watford Junction - unterwegs
Lokschaden; mit dem Fahrrad nach Windsor - Jugendherbergen voll; mit dem Zug weiter nach
Bristol.
Dann mit dem Fahrrad über Bath nach Salesbury - unterwegs Pedal abgebrochen
(natürlich wieder bei mir).
Von Salesbury mit dem Rad nach Winchester, von dort mit dem Zug über London,
Canterbury nach Dover - in Dover Fährenstreik, dadurch in Ostende Zug verpaßt und am 24.
Tag nach all der Hektik über Brüssel und Köln endlich wieder zu hause.
Informationen:
Anreise: Wir sind mit dem Auto nach Rotterdam gebracht worden. Fähre Rotterdam - Hull.
Rückreise: Britrail-Pass für die Bahnfahrten in Großbritannien, Fähre Dover - Ostende, Bahnfahrt Ostende-Brüssel-Köln nach hause.
Unterkunft: in Jugendherbergen und "Bed&Breakfast"
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