Dienstag, 18. Juli 2000
Mit
zwei Telefonaten am späten Abend ist alles klar. Das
Unternehmen "Tour de France 2000" kann beginnen. Zum
Glück habe ich schon fast alles vorbereitet, denn seit März
hatten wir prinzipiell diesen Ausflug eingeplant. Jetzt heißt
es packen...
Mittwoch, 19. Juli 2000
Da die
Übernachtungsmöglichkeiten weitgehend ungeklärt sind,
wandert die komplette Campingausstattung in den Laderaum des
VECTRA. Mein Hund Lucky ist begeistert - Autofahren.
Es
geht nach Düsseldorf, wo ich mir bis 17:30 Uhr soweit die
Arbeit vom Halse schaffe, dass ich mir zwei Tage Urlaub
erlauben kann. Nach 1 Stunde ist erst mal ein Nickerchen auf
einem Autobahnparkplatz angesagt. Man sollte nachts länger
schlafen. Um acht habe ich Wiesbaden erreicht. Per D1 nehme
ich Kontakt mit Stef@n auf, der soeben gestartet ist. Über
Mannheim und Heilbronn geht es nach Stuttgart.
Kurz
hinter dem Leonberger Kreuz liegt der Rastplatz
"Sindelfinger Wald". Während ich mit Lucky
spazieren gehe, hat Stefan Pforzheim passiert. Gegen 22:30
haben wir zueinander gefunden und es geht weiter nach
Pfullingen zu Jogi. Gemeinsam schauen wir auf Eurosport die
heutige Etappe von Evian nach Lausanne. Erik Zabel ist mal
wieder nur Zweiter. Während auf BR Monty Python läuft,
fallen uns dreien die Augen zu. Schlafenszeit...
Donnerstag, 20. Juli
2000
Wir frühstücken,
dann muss Jogi zur Arbeit. Stefan und ich beschließen, uns
aus Richtung Schwarzwald an die Rennstrecke zu begeben. Über
Reutlingen und Tübingen geht es zur Autobahn, dann nach Süden,
Richtung Singen. Das Wetter ist toll! Sonne, aber nicht zu
warm. Wir verlassen die Bahn, dann geht es über
Donaueschingen, Titisee, den Feldberg und das Wiesental nach
Hausen. Nun fahren wir über Nebenstrecken nach Kandern.
Kurz
vor 14 Uhr stellen wir nur 200 m vom Kurs unsere Autos ab.
Noch gut 2 Stunden bis zum Eintreffen der Tour. Wir erkunden
den Ort. Es sind schon viele Menschen auf den Strassen. Bierstände,
Imbissstände, Plakate, Spruchbänder. Wir gehen erst mal
essen, dann erwarten wir die Werbekolonne.
Kurz
nach 15 Uhr rollt der Werbetross durch - was für ein Blödsinn,
aber die Stimmung ist gut. Wir platzieren uns gegenüber von
einem Fernseher, so dass wir die Live-Übertragung sehen können.
Eine fünfköpfige Spitzengruppe liegt 16 Minuten vor dem
Hauptfeld. Gegen 16 Uhr erreicht die Spitze in Rheinfelden
Deutschland. Die Bilder von der Bergüberquerung bei Lörrach
sind beeindruckend, so viele Menschen stehen hier in Kandern
zum Glück nicht rum. Es wird spannend. Ein Wagen fährt
durch: Noch 5 Minuten bis zur Spitze tönt es in schlechtem
Deutsch.
Hubschraubergetöse.
Motorräder, Autos, Polizei. Dann sind sie da. Riesiger Applaus
flammt auf. Was für eine Stimmung! Die fünf Fahrer huschen
vorbei und sind Sekunden später verschwunden. Alexander
Vinokourov vom Team Telekom war mit dabei.
Der
Spuk ist Sekunden später vorbei. Im Fernsehen sehen wir die
Spitzengruppe, wie sie über die letzten Hügel weiterhetzt
und kurz vor Müllheim gesprengt wird, als sich 2 Fahrer
absetzen können. Nun warten wir auf das Hauptfeld, das nun 15
Minuten Rückstand hat.
Wieder
kommen die Autos und Motorräder. Drei Hubschrauber künden
vom Nahen des Höhepunkts und dann biegen sie um die Kurve.
124 Fahrer schießen an uns vorbei. Lance Armstrong und Erik
Zabel sind deutlich erkennbar, irgendeiner der Jungs in
Magenta muss Jan Ullrich gewesen sein.
Kaum
ist der Tross durch, scharren sich alle um den Fernseher. Noch
haben die beiden Spitzenreiter 35 km vor sich. Die Fahrt ist
ein Triumphzug. In Freiburg stehen die Menschen in
Zehnerreihen am Strassenrand. Das Finale ist packend und
spannend. In Kandern wird der Telekom-Fahrer Vinokourov
angefeuert, als könne er es hören... Am Ende aber siegt der
Italiener Salvatore Commesso vom Saeco Team.
Wir
bleiben noch bis das Hauptfeld angekommen ist, dann machen wir
uns auf, etwas zu essen zu kaufen.
Gegen
18:15 fahren wir auf der Strecke, auf der zuvor die Tour
gerollt ist gen Müllheim Neuenburg. Überall stehen
Wohnmobile, Partyzelte, Tische und Bänke und viele Leute
feiert immer noch. Wir lesen die Spruchbänder, die Strassen
sind mit Kreide und Farbe bemalt.
Im Müllheim
fahren wir nicht auf die B3, die die Tour geradewegs nach
Freiburg geführt hat, sondern zur Rheinbrücke nach
Neuenburg. Nun folgen wir in Gegenrichtung der morgigen
Zeitfahrstrecke. An einigen Stellen haben schon wieder einige
Wohnmobile Position bezogen. Wir fahren erstmal zu einem
Baggersee bei Merdingen - Pause.
Gegen 21 Uhr geht es zurück
nach Hartheim. Wir suchen einen Platz zum Übernachten, direkt
an der Strecke. Am Ortsrand von Grissheim ist Endstation. Auf
einem abgeernteten Feld stellen wir die Autos ab, bauen Tisch
und Stühle auf und ich stelle mein Zelt gegenüber auf eine
ebene Stelle direkt an die Strasse. Wir geniessen unser
frischgezapftes Altbier, während ständig neue Wohnmobile
vorbeikommen. Das Feld füllt sich. In der Nacht bemalen ein
paar Jungs im Autoscheinwerferlicht die Strasse, alle 20 Minuten
kommt ein Polizeiwagen durch. Wir sind gut bewacht.
Freitag, 21. Juli 2000
Ich
schlafe unruhig, denn am frühen Morgen ist auf der Strasse,
also nur 3 Meter neben mir, schon viel Verkehr unterwegs. Um 8
Uhr wird es heiss im Zelt. Stefan geht mit Lucky Brötchen
holen, während ich Kaffee koche.
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Ab 9 Uhr
ist die Strecke gesperrt. Kurz vor 10 Uhr kommt der halbe
ONCE-Rennstall vorbei, kurz darauf erleben wir Richard Virenque
und gegen halb elf gibt sich der Meister persönlich die Ehre:
Lance Armstrong im neutralen US-Postal- Trikot auf Trainingstour.
Auf
beiden Seiten der Strasse sind inzwischen viele Menschen
hinzugekommen, aber es bleibt überschaubar. Von unserem Platz
aus, können wir etwa je 300 Meter in beide Richtungen direkt übersehen,
die Begleitwagen nahender
Fahrer sind aber schon fast 1 km vorher zu sehen, so dass wir früh
mitkriegen, wenn jemand kommt. Immer wieder rasen nun Autos und
Motorräder durch, kurz vor elf prescht auch der Werbezug wieder
vorbei.
Um 11:20 startet der erste Fahrer in Freiburg. Wir sind
etwa auf halber Strecke bei km 28,5. Die Fahrer brauchen
zwischen 35 und 40 Minuten bis zu unserem Punkt. Dann wird der
erste Fahrer angekündigt und von lautem Anfeuerungsrufen
begleitet zischt er vorbei. Die ersten Fahrer werden noch
lauthals bejubelt, dann machen die ersten Fans auch schon mal ne
Pause.
Manchmal kommen gleich 2 Fahrer +
Begleitwagen auf einmal,
einmal sogar gleich drei. Dann ist wieder minutenlang Pause,
denn die Fahrer starten im 2 Minutenabstand. Unser Nachbar aus
Freiburg hat eine Startliste, so dass wir wissen, wann die
Deutschen oder die vom Team Deutsche Telekom vorbeikommen.
Wir
verpassen niemanden! So richtig spannend wird es dann ab etwa 15
Uhr.
Jetzt
starten die 23 Besten im 3-Minutenabstand. Um 15:15 gibt es
TV-Bilder auf Minifernsehern, aber die Informationen sind
brauchbar. Die Spannung steigt. Stefan nimmt inzwischen per
Stopuhr die Zwischenzeiten der einzelnen Spitzenfahrer und ist
plötzlich als Informationsquelle sehr gefragt...
Während
Jalabert und Hamilton die Bestzeiten im Ziel vorgelegt haben,
macht sich Christophe Moreau auf eine fulminante Aufholjagd. Während
er an uns vorbeijagd, können wir ihm im Fernsehen direkt dabei
zusehen. Die begleitende Kamera ist auf Sendung. Um 15:57
startet Jan Ullrich, 3 Minuten später als letzter Starter Lance
Armstrong. Bei beiden stehen die Menschen mitten auf der
Strasse, aber jeweils 5 Motorräder der Polizei + 2 Begleitwagen
vorneweg machen für beide die Gasse frei. Und das mit Tempo 50.
Ein Wunder, dass da nichts passiert ist...
Die
Anfeuerung ist für beide Sportler fair und laut. Der Amerikaner
hat bereits hier einen Zeitvorsprung von 10 Sekunden.
Dieses
Bild ist eine absolute Weltsensation! Mein Hund
"Lucky", Stef@n und Lance Armstrong auf einem Foto!
Kaum ist
Lance Armstrong durch, kommen noch gut 3 Dutzend Motorräder und
Autos, dann ist auf der Strasse alles vorbei. Wir gehen zu einem
nahegelegenen Zelt, wo ein grosser Fernseher den Rest des
Rennens überträgt. Jan Ullrich hat im Ziel den vor ihm
fahrenden Beloki eingeholt und war fast 2 Minuten schneller als
Moreau, der Dritter wird. Leider war aber heute einer noch
schneller: Lance Armstrong, der Mann in Gelb wird Tagessieger
mit 25 Sekunden Vorsprung.
Zurück
zu den Autos. Wir verabschieden uns von unseren Nachbarn, mit
denen wir einen tollen, aufregenden Tag verbracht haben und
fahren, nachdem wir in Bad Krozingen eingekauft haben,
zurück zu dem Baggersee, wo wir gestern schon waren.
Der
Abend endet laut, denn gegen 10 Uhr beginnen 3 Gruppen dort am
Ufer, mit ihren Musikanlagen zu konkurieren. Irgendwann klemmen
wir uns zum Schlafen in unsere Autos. Das Zelt baue ich heute
nicht mehr auf.
Samstag, 22. Juli 2000
Als ich
gegen halb neun aufstehe, liegt Stefan schon am Ufer des Sees.
Er hat einen ordentlichen Sonnenbrand vom Vortag. Wir spielen
mit Lucky, dann packen wir unsere letzten Sachen in die Wagen
und fahren zur Autobahn. In der Nähe vom Europapark Rust halten
wir bei McDonalds und frühstücken ausgiebig. Gegen elf Uhr
heisst es Abschiednehmen. Während ich zum Tanken fahre, macht
sich Stefan schon auf den Heimweg. Kurz nach 15 Uhr sind Lucky
und ich dann wieder zuhause in Menden.
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