Großbritannien 1993: 
GB: "Wales und Südwestengland per Rad"
von Dieter Pinell                    
Reisezeit: 01. Mai bis 01. Juni 1993
Verkehrsmittel: Hercules Tourenfahrrad mit Reiseausstattung

Meine diesjährige Fahrradtour führte mich wieder einmal auf die britischen Inseln. Gemeinsam mit meinem Radelfreund Uwe aus Itzehoe habe ich einen Monat lang Mittelengland, Wales und Südwestengland durchquert. Übernachtet haben wir in Jugendherbergen und in Privatunterkünften (Bed & Breakfast).

Samstag, 01. Mai 1994

(Etappe: 12 km, Gesamtstrecke: 12 km)

Zuerst einmal werden wir an diesem 01.Mai mit dem Auto bis Rotterdam-Europoort gebracht, von wo wir die inzwischen schon fast vertraute Fähre nach Kingston upon Hull nehmen.

Wir haben eine enge, aber gemütliche kleine Zweierkabine und können das abendliche Büfett und unsere ersten Pint of Bitter in Ruhe genießen, denn das Meer ist sehr ruhig. 

Ü: Fähre Rotterdam - Hull

Sonntag, 02. Mai 1994

(98 km, 110 km)

Am nächsten Morgen sind wir wie immer die ersten beim Frühstück, bevor wir so gestärkt unsere Sachen zusammenpacken.

Startpunkt der Tour ist an einem nass-kalten Sonntag Morgen in Kingston upon Hull. Diese erste Etappe nach Lincoln zeichnet sich durch sehr wechselhaftes Wetter aus. Bereits nach den ersten drei Kilometern beginnt es zu nieseln. Als wir die große Humber-Hängebrücke überqueren, ist es zum Glück trocken und windstill. 

Im Laufe des Vormittags aber bekommen wir noch ein paar Schauer ab, bevor wir gegen Mittag Market Rasen erreichen.

Wir wärmen uns erst mal in einem Pub auf und essen eine kleine Mahlzeit. Die restlichen dreißig Kilometer bis Lincoln sind dann wegen des starken Autoverkehrs und wegen des kalten Winds nicht so toll. Am Ortsrand von Lincoln setzt Regen ein und wir fahren direkt zur Jugendherberge. Exakt 98 km am ersten Tag. Nachdem wir vor der Tür der Herberge noch eine knappe Stunde bis 17:00 Uhr gewartet haben, können wir einchecken. 

Abends besichtigen wir dann Lincoln mit der auf einem Hügel in der Stadt gebauten großen Kathedrale. Mangels sinnvoller Alternative am Sonntag Abend schieben wir eine Mahlzeit bei McDonald's ein.

Ü: JH Lincoln

Montag, 3. Mai 1993

(96 km, 206 km)

Der nächste Morgen beginnt sonnig. Da es keine Alternativroute gibt, geht es über die Hauptstraße bis Newark-on-Trent. Wegen des Bank-Holiday-Feiertags sind aber nicht viele Autos unterwegs. 

Nach der Mittagspause geht es dann weiter gen Westen. Die Landschaft wird nun bergiger, die Straßen auch. 

Am frühen Nachmittag treffen wir in Farnsfield auf eine Dorfkirmes. Irgendwo auf dem Weg nach Kirby retten wir uns vor einem heftigen Schauer in ein total verdrecktes Buswartehäuschen.

Nach rund 70 Kilometern bin ich total fertig. Die letzten Kilometer verlaufen dann flach ansteigend im Tal des Derwent-River, so dass ich es noch irgendwie schaffe, die insgesamt 96 km zu bewältigen. 

Ü: JH Matlock

Dienstag, 4. Mai 1993

(53 km, 259 km)

Heute Morgen fährt Uwe erst mal zum nächsten Fahrradladen in Matlock Bath und kauft sich einen knatschroten Fahrradhelm gekauft. Ein leichtes Horrorerlebnis gestern, als uns fast ein überholender Wagen abgeschossen hätte und die Tatsache, dass ich eh' schon mit Helm fahre, haben ihn überredet.

Wir verlassen schiebend das Tal des Derwent und treffen nach zwei Kilometern auf eine stillgelegte Eisenbahnstrecke über die Höhen des Peak Destrict, die zum Wander- und Radweg umfunktioniert ist. Doch unsere Hoffnung auf eine Flachstrecke wird bereits nach wenigen Metern enttäuscht. Wir lernen, dass es im England der industriellen Revolution auch möglich war, Eisenbahnwagen mittels dampf- betriebener Seilwinden sehr steile! Berge hochzuziehen.

 Nach dieser Erfahrung ist es dann eine wirklich tolle Strecke.

Kurz vor Buxton endet unser Railway-Track, wir müssen wieder auf die Straße. In Buxton kaufen wir ein, denn unser Ziel ist eine einsam gelegene Jugendherberge 12 Kilometer südlich. Ausserdem muss Uwe im Postamt den Schlüssel des Fahrradschuppens der JH Matlock, den er heute Morgen eingesteckt hat, zurückschicken. Mitsamt dem "Reminder", einem Schraubenschlüssel, ist das schon eine recht schwere und damit teure Angelegenheit...

Zuerst einmal geht es ab Buxton über eine langansteigende Passstraße, die wir zum Teil schieben müssen, bis zum Abzweig nach Flash, der angeblich höchst gelegenen Ortschaft Englands. Hinter dem Dorf führt dann der Feldweg zur Jugendherberge sehr steil wieder abwärts in das Tal des River Dane.

Der Warden der JH Gradbach Mill begrüßt uns mit der beiläufigen Bemerkung, man sei ausgebucht, während er gerade ein paar Schulkindern Limonade und Mars verkauft. Sein Bemühen, in der Nähe B & B für uns zu finden, ist nicht von Erfolg gekrönt. So kommt es, dass er uns seinen im Garten stehenden Wohnwagen zum Nachtquartier anbietet, was wir dankend annehmen. 

Nach dem Abendessen treffe ich den Warden wieder und er fragt mich, ob wir noch Lust hätten mit ihm in den Pub nach Flash zu fahren, es würde aber später als elf Uhr.

So landen wir also in Flash, wo wir den Eingeborenen den Unterschied zwischen Uwe und der einheimischen Staubsaugermarke klarmachen. Die Nacht ist kurz und sehr kalt in unserem Wohnwagen. Am frühen Morgen habe ich 5° C auf meinem Thermometer.

Ü: JH Gradbach Mill

Mittwoch, 5. Mai 1993

(77 km, 336 km)

Am nächsten Morgen überqueren wir erst mal noch zwei-, drei- Berge, bevor wir bei Congleton wieder halbwegs flaches Land erreichen. 

An diesem Tag hat Uwe ein wenig Probleme mit seinem Ledersattel, und auch ich saß etwas unruhig im Sattel. 

Am Nachmittag erreichen wir die alte Römerstadt Chester mit seinen schönen Fachwerkhäusern. Wir nahmen uns viel Zeit, die Stadt zu erkunden.

Ü: JH Chester

Donnerstag, 6. Mai 1993

(99 km, 435 km)

Ein paar Kilometer hinter Chester erreichen wir walisische Grenze und kurz darauf die Küste der Irischen See. Die walisische Partnerstadt von Menden, Delyn, ist in keiner Karte zu finden, besteht aber im wesentlichen aus der Ortschaft Flint, durch die wir nur zufällig radeln. 

Wir folgen der Nordküste über Rhyl und Abergele bis Colwyn Bay. 

Nach dem Einchecken in der dortigen JH machen wir noch eine Abendrunde mit dem Rad nach Conwy und über die nördliche Halbinsel zum mondänen Badeort Llandudno.

Abends essen wir beim Chinesen in Colwyn Bay.

Ü: JH Colwyn Bay

Freitag, 7. Mai 1993

(54 km, 489 km)

Am nächsten Morgen steht zuerst die Besichtigung der mittelalterlichen Königsburg Conwy und der Stadt Conwy auf dem Programm. 

Nach dem Besuch von Conwy verlassen wir die Nordküste. Entlang des seenähnlichen Flusses Conwy geht es auf hügeligen Straßen gen Süden. In Betws-y-Coed machen wir an den dortigen Stromschnellen Rast.

Ab hier geht es nun nur noch aufwärts mit uns. Ein langer Anstieg bringt uns über Capel Curig zur Jugendherberge am Penn-y-Pass, unterhalb des Berges Snowdon. Da wir hier zwei Nächte bleiben wollen, können wir hier abends erst mal ausgiebig unsere schmutzige Wäsche durchwaschen. So können die Sachen in Ruhe trocknen.

Ü: JH Penn, y-Pass

Samstag, 8. Mai 1993

(0 km)

Am siebten Tag lassen wir die Fahrräder an der Herberge Penn-y-Pass stehen und erklimmen zu Fuß den Snowdon erklommen, mit 1.086 m der höchste Berg südlich von Schottland. 

Das Wetter ist phantastisch und wir haben eine hervorragende Fernsicht von der Wanderstrecke und vom Gipfel. Nach knapp 3 Stunden sind wir oben. 

Da die Zahnradbahn an diesem Tag nur bis zur Mittelstation fährt sind oben nur Wanderer und dementsprechend ist am Gipfel nicht so viel los. Dafür ist auch der Kiosk geschlossen.

Zurück nehmen wir dann die Route, die entlang der Zahnradbahnschienen führt und sind am Nachmittag wieder im Tal in Llanberis. Während wir auf den Linienbus zur JH warten, treffen wir einen unserer Zimmergenossen, der uns in seinem Auto mitnimmt. Am Abend fahren wir zu fünft zu einem nicht all zu fernen Hotel, in dem schon Edmund Hillary, der Erstbesteiger des Mount Everest, mit seiner Mannschaft während seines Himalaja-Trainings gewohnt hat. Die Schankräume der Public Bar sind voller Himalaja-Bilder und Erinnerungsstücken.

Ü: JH Penn-y-Pass

Sonntag, 9. Mai 1993

(47 km, 536 km)

Am nächsten Tag radeln wir dann erst mal im Nieselregen zur Talstation der längsten walisischen Schmalspur- Dampfeisenbahn in Porthmadog und nehmen den Zug nach Blaenau-Ffestiniog. In dieser Gegend wird Schiefer in Bergwerken abgebaut. Der Tag bleibt zwar trüb, aber es regnet nicht mehr. Der Himmel passt gut zu dem trostlosen Bild der Schieferabraumhalden und der grauen Häuser.

Hier gibt es ein interessantes Museumsbergwerk, das wir ober- und unterirdisch besichtigten. Nach der Rückfahrt haben wir noch ein paar Kilometer vor uns bis Llanbedr, ein Dorf südlich von Harlech. Das berühmte Königsschloß von Harlech sahen wir nur kurz von außen, denn wir sind schon spät dran.. 

Ü: JH Llanbedr

Montag, 10. Mai 1993

(104 km, 640 km)

In den nächsten Tagen folgen wir prinzipiell der Westküste von Wales, wobei wir meistens die verkehrsärmeren kleinen hügeligen Straßen im Landesinneren nehmen werden. 

Von Llanbedr bis Barmouth geht die Straße parallel zur Küste entlang und ist recht flach. Hinter Barmouth muss die Straße dem langen Mündungsarm des Flusses Mawddach folgen. Die Eisenbahn überquert die Mündung auf einer Brücke. Zu unserem Glück gibt es einen Fußweg entlang der Bahn, den wir gegen einen kleinen Obulus an einer Mautstelle von Britrail nehmen können - gut 20 km gespart.

Die Küste wird nun zerklüfteter und die Straße geht auf und ab. Der nächste Meeresarm lässt sich nicht abkürzen. Weit im Landesinneren erreichen wir Machynllet mit seinem berühmten Uhrenturm. 

Da die Jugendherbergen im Küstenbereich durch Schulklassen ausgebucht sind, ist unser Ziel eine kleine Landjugendherberge in der Umgebung der Teufelsbrücke. So verlassen wir denn nach ein paar Kilometern die Hauptstrecke nach Aberystwyth.

Ab Tal-y-bont geht es erst mal nur bergauf. Immer einsamer wird der Weg, dafür gibt es ein kurzes Gewitter, dass wir ungeschützt über uns ergehen lassen müssen. Wir erreichen den malerischen, einsamen Nant-y-Moch-Stausee, dann wird die Gegend wieder zivilisierter. Die Jugendherberge liegt hinter einem letzten Berg mit 20%-Steigung bzw. Gefälle zur anderen Seite. 

Die alte Dorfschule haben wir ganz für uns alleine. Wir heizen den Torfkamin an, dafür funktioniert die Dusche nicht.

Ü: JH Ystumtuen

Dienstag, 11. Mai 1993

(66 km, 706 km)

Obwohl wir nur knapp 2km Luftlinie von der Teufelsbrücke entfernt sind, müssen wir am nächsten Morgen erst mal 12 km radeln, um diese zu erreichen, denn dazwischen liegt ein zerklüftetes tiefes Tal. Die Landschaft an der Teufelsbrücke ist beeindruckend, das Wetter an diesem Morgen ist sonnig bis leicht bewölkt.

Gegen eine geringe Gebühr kann man einen Rundweg betreten, von dem aus man zuerst die drei übereinander liegenden Brücken aus den verschiedenen Epochen sehen kann. 

Dann geht es einen steilen Pfad hinunter ins Tal. Durch den dichten Laubwaldbestand hindurch hat man alle paar Meter neue Ausblicke auf das Seitental mit seinen Wasserfällen und auch auf die Wasserfälle, die hier neben dem Pfad zu Tal rauschen. Auf der anderen Seite der Wasserfälle steigt man dann vom Talboden wieder hinauf zur Straße. Ein paar Meter weiter ist die Endstation der Schmalspurbahn, die von Aberystwyth hier herauf stampft. Sie ist die einzige Dampfeisenbahn auf den britischen Inseln, die von Britrail betrieben wird.

Nachdem wir wieder im Sattel sitzen, bringt uns eine rasante Abfahrt hinunter nach Aberystwyth. Nach der Mittagspause verlassen wir die Küste wieder in Richtung Tregaron. 

Unterwegs legte Uwe eine Schraubstunde an seiner Schaltung ein, der Berggang mochte nicht mehr so richtig einrasten. In Tregaron essen wir in einem Pub. Mein Rindersteak ist super. 

Die Landjugendherberge liegt ein paar Kilometer außerhalb. Die Farmersfrau eines Hofes in der Nähe ist der Warden. Außer einer älteren Dame sind wir allein in dem alten Schulhaus.

Ü: JH Tregaron

Mittwoch, 12. Mai 1993

(72 km, 778 km)

Von Tregaron folgten wir tendenziell dem Fluß Teifi bis zu seiner Mündung bei Cardigan. Trotzdem haben wir auch heute wieder einige Hügel zu erklimmen. Außerhalb von Cardigan liegt oberhalb des Strandes und der Flußmündung die Jugendherberge Poppit Sands. Der Warden ist gut drauf. Wir halfen ihm beim Einfangen eines ausgerissenen Schafes... Zwei Kilometer zurück liegt der "letzte Pub vor Irland". Ehrensache, daß wir abends hineinschauten.

Ü: JH Poppit Sands

Donnerstag, 13. Mai 1993

(57 km, 835 km)

Am heutigen Tag haben wir wieder ein paar Besichtigungen vor. Zuerst besuchen wir die Reste der Abtei St. Dogmaels und lassen uns die Funktion einer Wassermühle erklären. Einige Kilometer weiter befindet sich ein einsam gelegenes Hünengrab. Während morgens noch die Sonne scheint, wird es am Nachmittag zusehends dunkler.

Am späten Nachmittag erreichen wir Fishgard, von wo die Fähren nach Irland ablegen. Beim Verlassen des Ortes erwischt uns ein Schauer. Es ist echt toll im strömenden Regen sein Fahrrad einen steilen Berg hochzuschieben.. Während wir an den ersten zwölf Tagen bis auf ein paar Schauer und ein wenig Nieselregen relativ trocken geblieben sind, beginnt nun eine richtige Schlechtwetterphase. Nach 10 km erreichen wir unser heutiges Ziel, die JH Pwill Deri.

Ü: JH Pwill Deri

Freitag, 14. Mai 1993

(59 km, 894 km)

Der nächste Morgen beginnt mit glasklarer Sicht und einem scharfen kalten Wind, dazu Wolken und Sonne - kein gutes Wetteromen, wie uns unser Warden erläutert. 

Tatsächlich hat sich der Himmel zur Abfahrt bereits wieder zugezogen. An diesem Tag gibt es heftige Schauer, dann aber auch stundenlang wieder trockene Phasen mit Sonne. Mit St.Davids, einer kleinen Stadt mit einer berühmten Kathedrale und einem verfallenen Bischofspalast, erreichen wir den westlichsten Punkt von Wales.

Wir umrunden die Bucht von St.Brides und erreichen am Abend die JH Marloes Sands.

Nach einem Abendspaziergang zur westlichen Klippe, von der aus wir die Vogelinsel Skomer Island betrachten können, machen wir noch einen Ausflug ins Dorf...

Ü: JH Marloes

Samstag, 15. Mai 1993

(91 km, 985 km)

Am Samstag , den 15.5. radeln wir über Milford Haven nach Pembroke. Diese Meeresbucht ist ein Naturhafen. Erstmals bekommen wir mal wieder die Folgen der Zivilisation zu sehen. Industrieanlagen, Raffinerien, Lagerhäuser. 

Der Ort Pembroke selber liegt etwas entfernt von der Industrie und wird von einer imposanten Burg beherrscht.

Wir verlassen Pembroke südlich, um noch zwei markante Punkte der Südküste zu besuchen. Mitten durch einen Truppenübungsplatz führt der Weg zur malerischen Steilküste mit dem blauen Meer, Felsentoren, Vogelfelsen und Klippen soweit das Auge reicht. 

Ein paar Kilometer weiter, an St. Gowan`s Head besuchen wir die in die Klippen gebaute Kapelle des St.Gowan. Unser Weg führte nun gen Osten, an der Küste entlang bis zur JH Pentlepoir bei Tenby. (91 km).

Ü: JH Pentlepoir

Sonntag, 16. Mai 1993

(86 km, 1071 km)

Nun haben wir fast jede Bucht in Pembrokeshire besucht und wollen heute weiter gen Cardiff starten.

Der Sonntag beginnt mit strömendem Regen und es soll den ganzen Tag nicht mehr aufhören. Wir verschieben unseren Aufbruch, in der Hoffnung auf besseres Wetter, doch irgendwann müssen wir aufbrechen, denn die JH macht tagsüber zu. 

Nach 20km erreichen wir St.Glears, wo wir barfuss in einer FishChips-Bar pausierten. Unsere Schuhe sind schon durchnässt. Es geht weiter über Carmarthen. Mein Tacho fällt aus - Wasserkurzschluß.

Wir radeln ohne Pause durch den Regen. In Llandeilo gibt es nur eine kurze Rast bei der wir furchtbar frieren, also weiter. Nach 70 Kilometern sind wir bis auf die Haut nass, besonders die Schuhe stehen total unter Wasser. Am frühen Abend erreichen wir unsere Einöd-Jugendherberge Llandeusant. 

Klatschnass, kein Laden weit und breit und keine Milch für unser Müslifrühstück mehr an Bord. Wir sind vollkommen verzweifelt. So begebe ich mich mit Regenjacke und Fahrrad wieder in die Wildnis, und finde glücklicherweise nach 2 Meilen eine Kneipe, die mir ein Pint Guinness und zwei Pint Milch verkauft (1 Pint = 568 ml, das metrische System wird in England nur geduldet). 

Die Herberge teilen wir uns mit ein paar britischen Soldaten, die eine Durchhalteübung auch hierher verschlagen hat. Wir breiten unsere nassen Klamotten quer durch die Herberge aus. Auch die Sachen in den Satteltaschen haben Nässe abbekommen.

Ü: JH Llandeussant

Montag, 17. Mai 1993

(16 km, 1087 km)

Die nächste Etappe sollte uns per Fahrrad nach Cardiff führen, doch der Montag beginnt, wie der Sonntag endete.

 Wir beschließen den nächsten Bahnhof in Llangadog anzusteuern. Als wir nach 10 km den Eisenbahn-Haltepunkt erreichen, sind wir schon wieder klatschnass. Der "freundliche" Schaffner unseres Zuges nimmt dann nur ein Fahrrad mit, so dass ich noch zwei Stunden auf den nächsten Zug in der Kälte warten darf. - Treffpunkt Cardiff.

Während Uwe schon im warmen Zug sitzt, wechsele ich wieder mal die Socken und Schuhe und vertreibe mir die Zeit mit Postkartenschreiben in der Kälte. Über Llanelli fährt der Zug nach Swansea, ab dort nehme ich den Intercity in die walisische Hauptstadt.

Uwe erwartet mich am Bahnhof von Cardiff. Er hat zwischenzeitlich den Weg zur Jugendherberge ausgekundschaftet. Abends besichtigen wir dann die Hauptstadt von Wales.

Ü: JH Cardiff

Dienstag, 18. Mai 1993

(34 km, 1121 km)

Am nächsten Tag radeln wir zum Bahnhof und unterqueren mit beiden Fahrrädern in einem Zug (Es geht also doch!) den Bristol Channel nach Bristol. Jetzt sind wir wieder in England.

Von Bristol aus radeln wir auf einer stillgelegten Eisenbahnstrecke in die Stadt Bath. Eine schöne Kurzetappe. Die dortige etwas überlaufene Jugendherberge hat eine Waschmaschine im Angebot - also Waschtag. Während Uwe allein die Stadt erkundete, verbringe ich den frühen Abend im Waschraum. Ich kenne Bath schon vom letzten Mal.

Abends nehmen wir an einem geführten Stadtrundgang teil und gehen später türkisch gegessen. 

Ü: JH Bath 

Mittwoch, 19. Mai 1993 

(53 km, 1174 km)

Am nächsten Morgen besichtigen wir das antike römische Bad mit dem römischen Museum. 

Da Bath die vorläufig letzte große Stadt ist, mache ich mich auf Mitbringseljagd. Ich kaufe noch neue Filme, eine Karte und einen Südengland- Reiseführer von Michelin. Dann entdecke ich eine "Welt" vom Vortag und den aktuellen "Stern". Mit zweiwöchiger Verspätung erfahren wir von Engholms und Krauses Rücktritten.

Mittags sind wir dann gen Südwesten gestartet. 

Zuerst zur imposanten Kathedrale von Wells, dann nach Glastonbury, wo die Abteiruine leider schon geschlossen ist. Wir übernachten in der JH außerhalb von Street. 

Ü: JH Street 

Donnerstag, 20. Mai 1993 

(73 km, 1247 km)

Am nächsten Tag besuchen wir die Stadt Taunton. Bei "Chic und Anmut" ergänze ich meinen Vorrat an Unterwäsche und Socken, mein Vorrat wird nun bis zum Ende der Reise reichen. Weiter geht es über hügelige Nebenstrassen und Wege zur Cleeve Abbey, die in der Nähe der Küste bei Watchet liegt.

Im Dormitorium finden gerade Dreharbeiten der BBC für die Kinderserie "Maid Marian and Her Merry Man" statt. Wir dürfen bei der Aufzeichnung von Nahaufnahmen für eine Tortenschlacht zusehen. Ein paar Kilometer weiter liegt im Wald die Jugendherberge von Minehead, in der wir eine Schulklasse aus Berlin treffen.

Der Pauker, der die Gegend gut kennt, empfiehlt uns für morgen eine Strecke durch das Exmoor. 

Ü: JH Minehead

Freitag, 21. Mai 1993

(69 km,  1311 km)

Nachdem wir kurz in Minehead und am Strand sind, fahren wir nach Dunster, einem Museumsdorf. In einem Spirituosenladen finde ich eine Flasche Bunnahabhain - mein Lieblingswhisky. Nun geht es nur noch bergan, Richtung Wheddon Cross.

Unterwegs hat Uwe eine Reifenpanne. Dann, beim Weiterfahren gerät mir ein Abspanngurt ins Vorderrad und ich muss eine meiner Notspeichen einsetzen. In Simonsbath machen wir eine echte Schlemmerpause bei Kaffee und Kuchen im Sonnenschein, doch bei der Weiterfahrt ziehen schnell Wolken auf. Während wir die Moorlandschaft Richtung Lynton durchqueren, setzt Nieselregen ein, so dass wir unsere Etappe in Lynton abschließen wollen.

Ein malerisches Waldtal, das Doone Valley, führt vom Exmoor nach Lynmouth. Leider bieten sich keine Fotografierperspektiven, die Straße hinab ist sehr schmal. In Lynmouth dann die Überraschung des Tages. Ein echter 25-Prozenter hinauf nach Lynton erwartet uns. Wir schieben und keuchen, doch der Regen hat aufgehört. Die JH Lynton ist an diesem Freitagabend ausgebucht, doch im Nachbarhaus gibt es B&B zum Sonderpreis. Den JH-Ausweis lassen wir trotzdem stempeln.

Während wir den Ort nach einem geeigneten Abendessen absuchen, setzt wieder Regen ein. In einem Inn gibt es eine gute Speisekarte. Am Nachbartisch sitzt ein Paar mit Kind aus Hamburg mit denen wir ins Gespräch kommen. Später treffen wir uns mit ihm in einem Pub. Er ist Journalist und hat viel zu erzählen. 

Ü: B&B Lynton 

Samstag, 22. Mai 1993

(73 km, 1389 km)

Der Samstag beginnt mit Schieben. Unser Ziel ist der Bull-Point bei Mortehoe. Uwe hat immer noch Schaltungsprobleme und schraubt.

In Mortehoe sehen wir erst eine Dorfhochzeit, dann auf dem Fußweg zur Klippe einen Fuchs. Regenwolken ziehen auf und während wir den nächsten 25-Prozenter hinaufschieben, gießt es in Strömen - echt toll. Klatschnaß machen wir Rast in Braunton. In Barnstaple verfahren wir uns total, weil die Beschilderung für die Autos zur Umgehungsstraße führt. Nach weiteren 10 km erreichen wir Instow. Die JH liegt wie immer auf einem steilen Berg. Es regnet wieder. 

Ü: JH Instow 

Sonntag, 23. Mai 1993 

(85 km, 1474 km)

Der Sonntag beginnt trocken. Seit ein paar Tagen habe ich morgens wieder Muskelkater in den Waden - vom vielen Berghochschieben. In Bideford überqueren wir den Torridge-Fluß über eine lange Bogenbrücke, dann heißt es erst mal wieder Schieben. Unser Ziel ist der Hartland-Point, das Touristen- Fischerdorf Clovelly lassen wir stattdessen rechts liegen. Nach einem Fußmarsch zur Klippe geht es dann weiter gen Süden.

Um nun etwas Zeit gut zu machen, benutzen wir die Bundesstraße A 39. Am Nachmittag erreichen wir die Grenze der Grafschaft "Cornwall". Nur kurz rasten wir im Fischerdorf Boscastle, bevor es weiter geht nach Tintagel. 

Die JH liegt außerhalb des Ortes auf einer Klippe, spektakulär direkt oberhalb des Meeres. Der erste Eindruck ist enttäuschend; während die kleine JH vor vier Jahren gut geführt und sauber war, ist der Laden nun heruntergekommen und siffig.

Abends besuchen wir erst einen Pub, wo es gute Barmeals gibt, später dann den Pub gegenüber, wo Musik gemacht wird. 

Ü: JH Tintagel 

Montag, 24. Mai 1993 

(75 km, 1549 km)

Wir verschieben den Start und warten erst mal ein Gewitter ab. Anschließend besichtigen wir die Hauptsehenswürdigkeit des Ortes  - die Ruine der Burg, in der der Legende nach König Arthus geboren wurde. Dann radeln wir über Nebenstraßen zum Dorf Rock, von wo eine Personenfähre hinüber nach Padstow fährt. Wir kommen genau rechtzeitig zur Abfahrt der Fähre dort an. 

Padstow ist ein buntes Fischerdorf mit vielen Touristen.

Wir verlassen den Ort über die Küstenstraße und radeln nach Newquay. Ein auf modern gemachter Touristenbadeort voller Hamburger- und Andenkenläden. Nach einer Pause die letzte Tagesetappe zur JH Perranporth. 

Die JH ist ist nur eine kleine Baracke, dafür liegt sie phantastisch. Der Warden und wir sind fast allein im Haus. 

Nachdem wir einen herrlichen Sonnenuntergang fotografiert haben, wandern wir hinunter ins Dorf und trinken noch ein-, zwei Guinness.

Ü: JH Perranporth

Dienstag, 25. Mai 1993

(70 km, 1619 km)

Der Dienstag beginnt mit Nieselregen, der dann heftig zunimmt. In einer Wasserflut erreichen wir den Bischofssitz Truro, wo wir bei Whimpy`s in Socken an der Kasse ordern. Ein Wunder, dass uns niemand hinausschmeisst, während wir mitten im Hamburgerladen unsere Socken wechseln und die Schuhe mit Zeitungspapier ausstopfen. 

Doch der Regen lässt nach. Halbwegs trocken radeln wir auf einer dichtbefahrenen Bundesstraße nach Falmouth.

Während wir uns an einer Tankstelle nach der Fähre über die Helford-Passage erkundigen, versucht ein Engländer draußen sein Auto zu starten, das dauert so lange, bis die Batterie leer ist, dann schiebt er sein Auto vom Tankstellenhof.  Ein bemerkenswertes Erlebnis!. 

Eine Stunde später erreichen wir die Minifähre über die Helford-Passage. Beim Einsteigen fällt erst mal der Fährmann mit meinem Fahrrad um, dann hänge ich irgendwie zwischen Schiff und Steg, weil eine Leine nicht fest ist.

Währenddessen bekommt Uwe, der genauso wie eine weitere Fähren-Mitfahrerin noch auf das Boot will, bereits am Ufer nasse Füße - die Flut steigt. Dann sind wir und die drei Fahrräder endlich alle an Bord. Die Überfahrt ist dann wenig aufregend und auch der Ausstieg nicht sonderlich erwähnenswert. 

Unser Tagesziel ist das alte Piratendorf Coverack mit seiner Jugendherberge.

Ü: JH Coverack

Mittwoch, 26. Mai 1993

(75 km, 1694 km)

Am nächsten Tag haben wir Glück. Zwei Zimmergenossen aus der Herberge haben das selbe Tagesziel mit ihrem Auto wie wir, so dass sie den größten Teil unseres Gepäcks mitnehmen können. Nur die Notausrüstung für Regentage und die obligatorische Frontfototasche bleiben am Rad. 

Es regnet zwar vorerst nicht, dafür liegt die Lizard- Halbinsel unter einer dicken Nebelschicht. Die Sicht liegt bei kaum 100 Metern.

Unser erstes Ziel ist die Satelliten-Erdfunkstelle Goonhilly von British Telecom, die man gegen ein Eintrittsgeld besichtigen kann. Bei der Busfahrt über das Gelände sehen wir nichts - Nebel. Die Ausstellung ist dann recht interessant. 

Wir radeln weiter Richtung Lizard Point und Kynance Cove. Unterwegs kommen wir an eine richtige Furt, die durch die Regenfälle der Vortage merklich angestiegen ist. Es heißt Schuhe und Socken ausziehen und durchschieben. Die Autofahrer brauchen da schon mehr Mut.

Wir besichtigen die Klippen von Kynance Cove, später dann den Naturhafen Mullion Cove. Kurz vor Helston liegt ein riesiger NATO-Flughafen. Während wir an dem Areal vorbeiradeln, geht ein eiskalter Regenschauer runter - kein tolles Gefühl. Einige Kilometer weiter erreichen wir die Bucht von Penzance. In Marazion werfen wir einen ersten Blick auf den St.Michel`s Mount.

Dann geht es weiter nach Penzance und zur Jugendherberge. Das Angebot der Cafeteria ist gut, nur haben wir und die Mädels, die dort den Laden schmeißen, so einige Probleme mit unseren ausgefallenen Wünschen. Mit unseren Zimmergenossen gehen wir später in den nächsten Pub.

Ü: JH Penzance

Donnerstag, 27. Mai 1993

(46 km, 1740 km)

Da wir in der übernächsten Nacht wieder in der JH Penzance schlafen wollen, lassen wir heute fast all unser Gepäck zurück. Nur ein paar Sachen zum Wechseln werden wir an unseren letzten beiden Tagen brauchen.

Den  Vormittag nutzen wir, um von Marazion zur Klosterinsel St. Michel`s Mount überzusetzen. Nach der Besichtigung des burgartigen Klostergebäudes sind wir die ersten, die barfuss bei aufkommender Ebbe den noch knapp überfluteten Pfad zurück zum Festland benutzen.

Wir radeln zurück nach Penzance und brechen dann am Nachmittag auf, die südwestliche Halbinsel zu umrunden. Wir durchqueren den Fischerort Mousehole, passieren einen Steinkreis und eine steinzeitliche Grabkammer und sind am späten Nachmittag des 27.Mai am Ziel: Land`s End nach 1730 Kilometern. Der südwestlichste Punkt von England ist erreicht.

Wir übernachten in der JH "Land`s End", die sich hinterlistigerweise etwa 10km weiter in St. Just befindet.

Ü: JH Land's End

Freitag, 28. Mai 1993

(78 km, 1818 km)

Am nächsten Tag umrunden wir die gesamte südwestliche Halbinsel Cornwalls. Am Vormittag besuchen wir ein mit Dampf betriebenes Maschinenhaus, das früher dazu benutzt wurde, die direkt am Meer gelegenen Zinnminen zu entwässern. Die Stollen gingen bis weit unter das Meer.

Am Mittag sind wir im Künstlerdorf  St.Ives, wo ich die zweite Flasche Bunnahabhain erstehe. Dann umrunden wir die Bucht von St.Ives, bis wir zu einer markanten Klippenlinie kommen, die ich noch von meiner letzten Cornwall-Fahrradreise in Erinnerung habe. 

Dann geht es zurück nach Penzance. Abends will Uwe in einem Pub ein wenig "Unplugged"-Musik hören. Zu seiner Enttäuschung und meiner Begeisterung gibt es Hardrock.

Ü: JH Penzance

Samstag, 29. Mai 1993

(18 km, 1836 km)

Der Abschied steht bevor. Heute bringt uns ein Intercity 125 von Penzance nach London. 

Während wir uns in der zweiten Klasse mit Zeitungen, Getränken und jeder Menge Eßbarem ausgebreitet haben, stehen unsere Räder hinten im Gepäckwagen. 

In London müssen wir von Paddington Station zur Liverpool-Street-Station wechseln.

Wir haben dann gleich noch eine Stadtrundfahrt mit dem Fahrrad gemacht. Hyde-Park, Speaker´s Corner, Buckingham Palast, Trafalgar Square und Big Ben. Direkt am Bahnhof Liverpool Street ist das Bankenviertel. Hier sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen, und das ist es dann auch: Wir werden mit den Folgen des IRA-Bombenanschlags von Ende April 1993 konfrontiert.. 

Von der Liverpool Street Station fahren wir mit dem Zug weiter nach Colchester. Da die Jugendherberge in Colchester voll ist, fragen wir uns zu einem B&B durch, wo wir noch 2 Nächte bleiben wollen. 

Ü: B&B Colchester 

Sonntag, 30. Mai 1993 

(0 km)

Am Sonntag fahre ich dann nach dem Frühstück allein noch mal mit der Eisenbahn nach London, Uwe will nicht mit. 

Mein Ziel ist das Wissenschaftsmuseum, das ich vor einem Jahr bereits besichtigen wollte, es aber nicht geschafft habe. Nebenbei mache ich noch einen kleinen Einkaufsbummel. 

Ü: B&B Colchester

Montag, 31.Mai 1993

(43 km, 1879 km)

Am Pfingstmontag radeln wir weiter nach Harwich, von wo wir die 20-Stunden-Fähre nach Hamburg nehmen.

Ü: Fähre Harwich - Hamburg

Dienstag, 01. Juni 1993

(3 km, 1883 km)

In Hamburg trennen sich unsere Wege. Während Uwe Direktanschluss nach Itzehoe hat, muss ich zwei Stunden auf meinen Interregio mit Fahrradtransport nach Hannover warten. 

Der Schaffner will mich dann gleich am nächsten Bahnhof wieder rausschmeißen, da ich mein Rad nicht reserviert habe, zum Glück ist aber eine Reservierung nicht erschienen. 

In Hannover habe ich nur 8 Minuten zum Umsteigen mit Fahrrad- und Gepäckwuchten. Der Reichsbahnschaffnerin ist es dann vollkommen egal, dass zwölf anstatt acht Fahrräder das gesamte Fahrradabteil im Interregio nach Dortmund belegen.

Nach 32 Tagen und fast 1900 Kilometern auf dem Fahrrad bin ich am frühen Abend wieder zu hause.

 

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Zuletzt geändert:  19. Januar 2003
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