Dies ist Dokumentation einer
5-wöchigen Fahrradtour quer durch Großbritannien, von Penzance in
Südwest- England nach Stromness auf Orkney, Nordost-Schottland.
Teil 2:
5. Tag, Mittwoch 24. Mai 2000
(63,5 km, 307,4 km)
Während der örtliche Fahrradshop mein
Tretlager und den Kurbelarm tauscht, erkunde ich die Stadt. Gegen
11:00 Uhr starte ich ins Dartmoor.
Der morgentliche Sonnenhimmel ist inzwischen Wolken gewichen und als
ich nach 200 Höhenmetern den Rand des Nationalparks erreiche,
beginnt es zu regnen. Bis nach Princetown, dem Ort der eigentlich
nur wegen des düsteren großen Dartmoor-Gefängnisses eine Existenz
hat, sind es weitere 200 Höhenmeter und ich bin gegen 14:00 Uhr
total durchgefroren, so dass ich mich in den nächsten Pub rette.
Kurz nach 15:00 Uhr fahre ich wieder los. Erstmals benötige ich nun
meine Fingerhandschuhe, denn der beständige kalte Regen kühlt
meine Finger total ab. Es geht auf und ab über das Moor. Hier in ca
400 m Höhe liegt die Temperatur nur noch bei 7°C.
In Moretonhampstead ist die Verlockung groß, die heutige Etappe
hier abzubrechen und ein B&B zu suchen. Die
Gesamtstreckenplanung spricht dagegen - einen Tag habe ich bereits
verloren.
Es geht weiter. Erneut muss ich 2 Berge überqueren, dann erreiche
ich gegen 20:00 Uhr Exeter. Der Regen hat aufgehört, sogar die
Sonne lässt sich noch mal blicken. Ich checke in einem B&B ein,
dann geht es noch kurz in die City. Abendessen bei McD, dann ein
paar Guinness in einem Pub.
Ü: B&B Exeter
6. Tag, Donnerstag, 25. Mai 2000
(93,9 km, 401,3 km)
Ich fahre nördlich hinaus aus der Stadt und
folge im Prinzip immer der Eisenbahnstrecke Richtung Taunton. Es ist
bewölkt, aber trocken. Zuerst fahre ich auf der Bundesstrasse nach
Rewe, dann auf Nebenstrecken nach Budlake. Da die Strecke nun immer
parallel zur Autobahn liegt, ist die danebenverlaufende
Bundesstrasse sehr ruhig. Ich habe Rückenwind. In Cullompton mache
ich eine Mittagspause, gegen 16 Uhr bin ich in Taunton, wo ich mir
ein B&B in Glastonbury vermitteln lasse. Um 17:30 verlasse ich
Taunton und fahre über Othery und Street nach Glastonbury. Das
B&B entpuppt sich als überteuertes, lieblos geführtes Gästehaus.
Ü: B&B Glastonbury
7. Tag, Freitag, 26. Mai 2000
(46,5 km, 447,8 km)
Das Frühstück ist genauso enttäuschend wie
das Zimmer. Im Nieselregen radel ich in die Stadt. Glastonbury ist
die Stadt Avalon, Hauptstadt des Mystischen und eine keltische
Kultstätte. Entsprechend sind die Geschäfte der Stadt bestückt.
Mitten im Zentrum liegt die weitläufige Anlage der im Mittelalter
zerstörten Abtei von Glastonbury. Trotz des Regens löse ich eine
Eintrittskarte, denn wegen der Abtei bin ich hierher geradelt.
Nach 1 Stunde habe ich alles gesehen und fahre im unentwegt
rieselnden Regen nach Wells. Die Kleinstadt ist schön und die sie
beherrschende Kathedrale ist famos. Leider zittere ich vor Kälte
und so ist der Besuch diesmal nicht so prickelnd...
Es geht weiter. Zuerst einmal geht's im Regen schiebend hinauf in
die Hügel nach Paulton. Dann geht es im Regen wieder hinab nach
Bath. Die JH in Bath liegt dann auf der anderen Seite der Stadt,
wobei man wiederum einen 2 km langen Hügel erklimmen muss.
Trotz des Regens mache ich mich abends noch einmal auf in diese
tolle Stadt, aber mehr, als sich in der City irgendwo ins Trockene
zu retten, bleibt im Dauerregen nicht übrig.
Zusatzbemerkung: Da Kamera Nr. 1 inzwischen
mehrere Filme vorzeitig zurückgespult hat, beschliesse ich nur noch
mit der alten Olympus mju zoom zu arbeiten. Die neue mju 2 wird als
Garantiefall zu hause reklamiert werden und jetzt erstmal gut
verpackt...
Ü: JH Bath
8. Tag, Samstag, 27. Mai 2000
(90,5 km, 538,3 km)
Bath. Ich fahre in die Stadt. Vor einem
heftigen Schauer kann ich mich in den Arkaden am römischen Bad
unterstellen. Als der Regen aufhört starte ich gen Bristol. Da ich
zum 4. Mal hier war, ist es nicht so tragisch, dass ich diesmal fast
nichts von der Stadt gesehen habe.
Ich suche den Anfang des Bath-Bristol-Fahrradwegs und treffe einen
Engländer der radelnd mit seinem Sohn hier unterwegs ist. Wir
radeln einige km gemeinsam , tauschen dabei ein paar Informationen
aus, dann biegen die beiden auf eine andere Strecke ab.
Der Radweg führt über eine stillgelegte Bahnstrecke. Ab und zu
muss ich Strassen kreuzen, einmal eine Umleitung fahren, auch ein längerer
Tunnel ist zu durchqueren. Irgendwann wirft irgendwer von oben mit
kleinen Eisbröckchen nach mir...
Gegen 14 Uhr endet der Radweg mitten in Bristol. In der Tourist
Information informiere ich mich über den Weg zur Severn-Brücke und
erhalte eine brauchbare Karte des "National Cycle Way Nr.
4".
Entlang des Flusses Avon fahre ich auf einem Radweg aus der Stadt
und unterquere die berühmte Suspension-Brücke. Kurz vor der Avonmündung
überquere ich auf dem Radweg der Autobahnbrücke den Avon, dann
geht es über Shirehampton, Hallen und Pilning auf Nebenstrecken zur
nördlichen Severn-Autobahnbrücke.
Gegen 17:30 erreiche ich dieses gewaltige Bauwerk und bin bald
darauf in Wales.
Am Vorabend habe ich nach vielen Telefonaten eine teure Unterkunft
finden können. Wegen des Bank- Holiday- Wochenendes sind alle
billigen Unterkünfte ausgebucht. In Magor, nahe Newport, habe ich
in einem Motel eine Unterkunft gebucht. Bevor ich Magor erreiche
kriege ich noch mal 2 Regenschauer ab...
Das Motel entpuppt sich als Autobahnraststätte. Mein Fahrrad übernachtet
im Konferenzraum.
Ü: Motel Magor
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9. Tag, Sonntag, 28.05.2000
(73,3 km, 611,6 km)
Als ich morgens aufbreche, ist es locker bewölkt.
Ich fahre an den Ortsrand von Newport, dann überquere ich einen Hügel
nach Caerleon und nehme die Nebenstrecke nach Usk. Kurz vor
Avergavenny ziehen schwarze Wolken heran und ein mächtiger Schauer
will sich abregnen, daher rette ich mich in einen Inn.
Als ich nach 1 Stunde weiterfahre, ist der Himmel zwar wieder blau,
doch kurz nach Avergavenny, im Bergland, verdüstert er sich wieder.
Nun gibt es Schauer im 30- Minuten-Takt, während ich dem
Mammouthshire & Brecon-Kanal folgend, langsam talaufwärts radel.
Am Vorderrad reißt eine Speiche, ich stelle fest, dass noch eine 2
Speiche kaputt ist.
Am frühen Abend erreiche ich die weit außerhalb von Brecon
liegende JH. Einer der Warden ist aus Deutschland und hilft mir,
meine nächsten 5 Jugendherbergen vorzureservieren.
Ü. JH Brecon (Ty'n-y-Caeau)
10. Tag, Montag, 29.05.2000
(58,1 km, 669,7 km)
Eine Königsetappe im Sonnenschein. Nachdem ich
zuerst die beiden Speichen ausgetauscht und später die kleine
Kathedrale von Brecon besichtigt habe, radele ich bergan über
Sarnau und Lower Chapel nach Upper Chapel. Nun wird es richtig
steil, während ich einen Übungsplatz der britischen Armee überquere.
Seitlich ist eine Schiessübung im vollen Gange, während ich
teilweise schiebend den Truppenübungsplatz auf dem erlaubten Weg überquere.
Bei Garth geht es dann wieder hinab ins Tal.
Bei der Abfahrt reisst eine Speiche, die ich dann in Llanwirtyd
Wells austausche, denn vor dem Abendessen ist noch eine heftige,
materialbeanspruchende Übung eingeplant. Gegen 17 Uhr starte ich in
ein Flusstal, das zuerst flach über 10 km ansteigt, dann 2 kurze
heftige Steigungen hat und dann wieder flach verläuft. Kurz vor
Talschluß kommt mir ein einheimischer Radfahrer entgegen. Er sagt
mir, dass jetzt noch was ganz tolles auf mich zukäme...
10 Minuten später stehe ich vor einer Stelle, die 25%-Steigung auf
800m verspricht. Na dann... Ich drücke also, Fuss vor Fuss setzend,
halb über dem Lenker liegend mein Gefährt und mich den Berg
hinauf. Alle 50 Gehmeter mache ich, um den Puls zu beruhigen, eine
kurze Pause. Ein paar Autos kommen vorbei. Die Fahrer hupen oder grüßen
mitleidend. Dann bin ich oben. Es sieht flach aus.
Nach 200 m dann wieder ein Schild: 25%-Gefälle auf 1 km. Es ist
gnadenlos. Ich hänge mich an die Hydraulikbremsen, lasse einen Fuss
mitschleifen und versuche den Schwerpunkt so niedrig wie möglich zu
halten. Wer's nicht erlebt hat, kann nicht nachfühlen, welche Kräfte
man da am Fahrrad abbremsen muss. Alle 2 Minuten bleibe ich stehen,
damit die heissen Felgen abkühlen können. Nach endlosen 15 Minuten
bin ich unten angekommen. Nun kann ich die JH auf der anderen
Talseite schon sehen, muss aber erst zu einer Brücke und dann auf
einer Schotterstrecke zurück zur Jugendherberge. Die JH ist klein,
hat zwar Telefon, aber keinen Stromanschluss. Beleuchtet wird mit
Gas, beheizt mit Kohle und Gas. Erstmals findet mein Mobiltelefon
keinen Kontakt zur Aussenwelt. Die kleine Gesellschaft dort ist toll
und nach dem Abendessen entwickelt sich ein netter Gesprächsabend.
Nur mein Bett ist mir leider viel zu kurz, so dass ich nicht
besonders gut schlafe.
Ü: JH Tyncornel
11. Tag, Dienstag, 30.05.2000
(93,5 km, 763,2 km)
Sonnenschein. Direkt nachdem ich die Brücke
hinter der Schotterzufahrt wieder überquert habe, beginnt ein
steiler Anstieg mit 150 Höhenmetern, dann geht es gut 100 Höhenmeter
wieder herunter in ein kleines Flusstal und sofort beginnt der nächste
Anstieg.
Mit 457 m über NN erreiche ich den höchsten Punkt meiner diesjährigen
Reise, dann fahre ich hinunter nach Tregaron, wo ich meine
Mittagspause einlege.
Auf Nebenstrecken radel ich nach Aberystwyth an der Irischen See. Am
Strand esse ich Fish und Chips.
Gegen 17 Uhr starte ich nördlich nach Borth. Natürlich muss ich
unterwegs wieder mehrmals auf 100 m über NN hoch, bevor dann kurz
vor Borth erneut 25% Gefälle auf 100 Höhenmeter drohen. Das wird
ja langsam zur Routine. Ab Borth geht es zuerst flach parallel zur Küste,
dann entlang eines langen Meeresarms nach Machynlleth. Nun sind es
noch 10 flach im Tal ansteigende Km bis zur JH von Corris, die dann
natürlich wieder an einer steilen Strasse oberhalb des Dorfes
liegt. In der JH treffe ich eine Familie wieder, die die gleiche
Strecke wie ich heute gefahren ist, allerdings mit dem Auto...
Ü: JH Corris
12. Tag, Mittwoch,
31.05.2000
(59,8 km, 823,0 km)
Sonnenschein. Von Corris aus, geht es noch ein
Stück bergan, aber bald auch wieder hinab in das nächste Tal. Nun
folgt erneut ein längerer Anstieg, eine lange Abfahrt nach Brithdir,
dann geht es fast flach bis nach Bala, das ich am frühen Nachmittag
erreiche. Ich kaufe eine Take-Away-Pizza und ein paar Lebensmittel.
Kurz bevor ich die JH von Cynwyd erreiche, fängt es an zu regnen.
Nachdem ich es mir in der kleinen JH Cynwyd gemütlich gemacht habe,
setze ich mich mit meinen Karten, JH- und Reiseführern hin, um die
Etappen für Nordengland zu planen. Die Tour ist einfach zu lang, um
wirklich 5 Wochen durchzuplanen, da ich aber in Westschottland fest
eingeplante Fähretappen habe, die nur an bestimmten Wochentagen zu
bewältigen sind, muss ich jetzt die Etappen von Liverpool bis
Dumfries planen. In den kommenden 2 Stunden spiele ich also die Möglichkeiten
durch, dann steht das Konzept. Während ich zu Bett gehe, regnet es
immer noch.
Ü: JH Cynwyd
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