Dies ist Dokumentation einer
5-wöchigen Fahrradtour quer durch Großbritannien, von Penzance in
Südwest- England nach Stromness auf Orkney, Nordost-Schottland.
Teil 3:
13. Tag, Donnerstag, 01.06.2000
(60,2 km, 883,2 km)
Als ich morgens starten will, ist das Hinterrad
platt. Ich pumpe nach, doch nach 5 km ist erneut der Druck weg. Da
es in Strömen regnet, verziehe ich mich in eine Lagerhalle am Wege,
nehme das Gepäck ab, baue das Rad ab und ziehe einen neuen Schlauch
ein. Der alte Schlauch ist durch Reibung an einem der Speichenenden
beschädigt worden. Über das Speichengummi klebe ich an der Stelle
eine Lage Isolierband. Alles wird wieder zusammengebaut, dann geht's
weiter.
Zum Glück hat der Regen aufgehört, als ich parallel zur
Llangollen-Schmalspur-Eisenbahnstrecke fahre. Irgendwann kommt ein
schöner alter Dampfzug vorbei. Von Llangollen aus radel ich entlang
des Kanals hinaus aus dem Bergland nach Osten, dann ab Ruabon nach
Wrexham.
Da Wrexham die Partnerstadt von Menden ist, nehme ich mir hier etwas
mehr Zeit, die Stadt anzuschauen und im Rathaus vorzusprechen. Im
Rathaus ist man uninteressiert, also fahre ich irgendwann weiter,
verlasse Wales und komme am späten Nachmittag nach Chester. Die JH
liegt am südlichen Ortsrand.
In der JH steht jetzt erst mal die Nutzung der Waschmaschine und des
Trockners an, dann geht es am Abend zu Fuss in die mittelalterliche
Stadt. Ich schaue mich um, wandere auf der Stadtmauer und begebe
mich dann in einen Pub. Dann lass ich mich erneut durch die Strassen
treiben, bleibe bis zum "Last Order" in einem weiteren Pub
und wandere zurück zur JH. Obwohl es fast Mitternacht ist, ist es
noch sehr hell. Langsam macht es sich bemerkbar, dass die Reise nach
Norden führt und sich der Mitsommernacht nähert.
Ü: JH Chester
14. Tag, Freitag, 02.06.2000
(32,2 km, 915,4 km)
Es regnet heute nicht. Nein, es schüttet wie
aus Kübeln. Zum Glück habe ich heute nur eine kurze und flache
Etappe bis Birkenhead, die ich in einem Rutsch durchziehe. Um 11:30
Uhr erwische ich so gerade noch die stündliche Mersey-Fähre in
Birkenhead und bin um 12 Uhr in Liverpool.
In der JH muss ich zwar nach dem Einchecken noch bis 13:30 Uhr
warten, bis ich mein Bett übernehmen darf, kann aber in der
Zwischenzeit schon duschen und trockene Kleidung anziehen. Gegen
14:00 Uhr starte ich, die Stadt zu erkunden. Ich besichtige im Regen
die beiden Kathedralen, dann besorge ich eine Musicalkarte für den
Abend, erkunde die Haupteinkaufsstrasse und besichtige zum Schluss
das zum Kultur- und Kneipenzentrum umgebaute Albert-Dock.
In der wenige Meter entfernten JH schaue ich kurz vorbei, dann eile
ich zum Theater in dem heute abend das Musical "Elvis"
gegeben wird. Das Musical erzählt die Lebensgeschichte des King und
ist eine Collage aus vielen seiner bekannten Lieder. Es war nicht
schlecht, aber auch nicht so herausragend. Nach Ende des Musicals
gehe ich noch auf ein Guinness in einen Pub und bin gegen
Mitternacht in meinem Bett.
Ü: JH Liverpool
15. Tag, Samstag: 03.06.2000
(65,5 km, 980,9 km)
Der Himmel ist grau, aber es ist trocken. Ich
fahre nordwestlich, der Küste folgend aus der Stadt. Auf den ersten
10 km reiht sich Vorort an Vorort, nur unterbrochen von Hafenanlagen
und Industriegebieten, dann wird die Landschaft ansehnlicher. Obwohl
ich parallel zur Küste fahre, ist vom Meer nichts zu sehen. Bei
Hightown verfahre ich mich auf ‚ner Nebenstrecke, hinter Formby
fahre ich dann in die Dünenlandschaft Richtung Southport. Southport
entpuppt sich als unscheinbares, ödes Seebad mit gammeligem
Vergnügungspark am Strand. In der Ferne ist der 160m hohe Turm von
Blackpool zu sehen – mein Tagesziel.
Von Southport aus ist es erstmal gut 30 km nach Osten landeinwärts
bis Preston, das ich gegen 15:30 Uhr erreiche. In Preston beginnt es
zu regnen. Kalter Regen.
Statt um 17 Uhr die restlichen 40 km nach Blackpool aufzunehmen,
beschliesse ich, Blackpool komplett zu streichen und ein B&B zu
suchen. Das Zimmer in dem vermittelten B&B ist ok, als ich
abends in die City gehe, regnet es immer noch in Strömen. Die Stadt
aber ist trotzdem voller junger Leute, die hier die Samstagnacht
durchmachen wollen. Erstmals erlebe ich auch wieder, dass die Pubs
von Türstehern beaufsichtigt werden.
Ü: B&B Preston
16. Tag, Sonntag, 04.06.2000
(83,7 km, 1064,6 km)
Der Himmel ist heute wieder meistens
dunkelgrau, aber es bleibt trocken. Die Strecke bis Lancaster ist
flach und daher zügig zu durchfahren. Ich radel nach Westen.
Morecombe ist ein nett anzuschauendes Seebad. Nun folge ich der
Hauptstraße bis Cainforth und biege dann wieder auf eine
Nebenstrecke ab. Zuerst geht es entlang der Küste über Silverdale
und Storth nach Leasgill, dann muss ich auf die 4-spurige
Bundesstrasse wechseln, die mich direkt nach Kendal bringt.
In der JH ist nicht viel los und ich lasse den
Abend am Flussufer ausklingen.
Ü: JH Kendal
17. Tag, Montag, 05.06.2000
(82,4 km, 1147,0 km)
Das Wetter ist gut und ich verlasse Kendal nach
Nordosten. Zuerst geht es bergauf, doch dann, nach 16 km kommt eine
lange Abfahrt hinab in das Tal, das die Bundesstrasse sich mit der
Autobahn, dem Fluss und der Eisenbahnstrecke teilt.
Ab Tebay steigt die Strecke wieder an und hinter Orton geht es
hinauf auf die Hochebene. Erneut kreuze ich die Autobahn, die hier
ihre höchste Stelle erreicht, dann
stoße ich kurz vor Shap wieder auf die Bundesstrasse. Die
nächsten 20 km führen fast nur bergab, so dass ich bald darauf
Penrith erreiche.
Mangels sinnvoller Alternative bleibe ich auf der
Bundesstrasse, die jedoch wegen der parallel führenden Autobahn
nicht sonderlich stark befahren ist. Am späten Nachmittag bin ich
in Carlisle und steuere ein B&B an. Abends erkunde ich ein wenig
die Stadt, die aber außer einer alten Burg nicht viel zu bieten
hat.
Ü: B&B Carlisle
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18. Tag, Dienstag, 06.06.2000
(71,8 km, 1218,8 km)
Im strömenden Regen suche ich den Weg nach
Norden. Ich folge der Bundesstrasse bis Longtown, wo ich nach Westen
abbiege. 30 Minuten später stehe ich an der Grenze zu Schottland.
Ich erreiche die alte Schmiede von „Gretna Green“.
Das Areal ist eine Touristenfalle erster Güte, aber zumindest kann
ich mich im dortigen Restaurant wieder aufwärmen, denn bisher hat
es nur geregnet.
Kurz nachdem ich Gretna gen Annan verlassen habe, hört der Regen
auf und bald darauf zeigt sich sogar kurz die Sonne. Entlang der
Küste radel ich zum Caerlaverock Castle und dann nach Dumfries, wo
ich gegen 16 Uhr eintreffe.
Um 17 Uhr suche ich mir ein B&B und habe Glück. Das Zimmer ist
klein, aber dier Service und die Vermieter sind toll. Ich bin in
Feierstimmung In einem mir schon von 2 vorherigen Besuchen bekannten
Pub gönne ich mir ein riesiges Steak, dann ziehe ich weiter durch
die Stadt. Das „Loch in der Wand“ entpuppt sich auch diesmal
wieder als Pub, in dem zuerst 2 Schotten Livemusik darbieten. Gegen
22:30 Uhr wechselt man über zur Karaoke-Show. Es ist genial...
Um Mitternacht habe ich meinen 40. Geburtstag.
Gegen 1:00 Uhr ziehe ich zurück zu meiner Unterkunft.
Ü: B&B Dumfries
19. Tag, Mittwoch, 07.06.2000
(106,3 km, 1325,1 km)
Das Frühstück ist einfach super. Ich probiere
Haggis, aber mein Geschmack ist es nicht. Als ich mich von den
Vermietern verabschiede, verrate ich ihnen, dass ich heute
Geburtstag habe.
Ich radel los. Am Ortsrand treffe ich auf einen Schotten, der mit
seinem Rad den selben Weg einschlägt. Nach etwa 1 Stunde trennen
sich unsere Wege. Bis Mittag scheint die Sonne, dann ziehen Wolken
auf. Nun wird meine Reise ein paar mal unterbrochen. Per
Mobiltelefon gratulieren Freunde und Kollegen, einige SMS kommen an.
In St. John’s Town wähle ich diesmal die Nebenstrecke, aber das
beständige Auf- und Ab kostet viel Zeit.
Ab Carsphairn geht es nur noch bergan, dann habe ich den höchsten
Punkt erreicht und bis Dalmellington kann ich rollen lassen.
Bis Hollybush bleibt es flach, dann sind auf dem Wege nach
Ayr noch mal ein paar Hügel zu überwinden. Am frühen Abend
erreiche ich die direkt am Strand gelegene burgähnliche JH von Ayr.
Ich checke ein, und, da es die erste JH in Schottland ist, mache
hier ein paar wichtige Reservierungen für die Jugendherbergen in
Oban und Edinburgh, auf Arran, Islay und Orkney.
Dann geht es im strömenden Regen in die Stadt. Statt Fish&Chips
mit Sonnenuntergang am Strand endet der Abend in einem Pub.
Ü: JH Ayr
20. Tag, Donnerstag, 08.06.2000
(70,2 km, 1395,3 km)
Es regnet immer noch, aber ich habe
Rückenwind. Über Prestwick vorbei am Flughafen, Troon, Irvine,
Kilwinning und Saltcoats fahre ich ohne Pause die 42 km nach
Ardrossan und bin 20 Minuten vor Abfahrt der Fähre am Anleger. Ich
kaufe eine Fahrkarte nach Brodick und eine 8-tägige Netzkarte, das
Island-Rover-Ticket, die ab morgen gültig ist, dann geht es an
Bord.
Während der 1-stündigen Überfahrt plausche ich mit einem
schottischen Radfahrer und esse zu Mittag. In Brodick hat der Regen
aufgehört und ich buche ein B&B für Lochboisdale am Montag,
dann geht es auf der Küstenstrasse nach Norden. Nach 8 km wendet
sich die Strasse von der Küste ab und es geht ins Gebirge. Arran
ist Schottland in Miniatur. Ein Wildbach rauscht neben der Strasse
und an den Berghängen sieht man einige Wasserfälle.
Bei der Abfahrt nach Lochranza komme ich an der neuen Arran
Destillerie vorbei. Es ist schon spät, daher soll es heute keine
Führung mehr geben. Während ich mich im Shop umsehe, kommen aber
noch 5 Urlauber, so dass sie dann doch noch kurzfristig eine
Führung mit uns machen. Nachdem ich mich in der JH wieder
frischgemacht habe, nehme ich mein Rad und radel in das 5 km weiter
an der Westküste liegende Dorf Catacol, da man um dortigen Hotel
gut essen kann. Die Kintyre-Halbinsel liegt zum Greifen nahe.
Zwischen den beiden Orten passiere ich einen Platz, an dem die BBC
gerade einen 2.Weltkriegsfilm dreht.
Ü: JH Lochranza
21. Tag, Freitag, 09.06.2000
(40,2 km, 1435,5 km)
Nach dem Frühstück radel ich zum Fähranleger
und lerne einen Schotten kennen, der heute früh von Ardrossan mit
der ersten Fähre herübergekommen ist und bereits die halbe
Arran-Insel überquert hat. Die Überfahrt zum Anleger Claonaig auf
Kintyre dauert nur 30 Minuten. Nun habe ich fast 90 Minuten Zeit um
die Fähre im 9 km entfernten Kennacraig zu erreichen. Nach 10
Minuten habe ich eine Reifenpanne hinten. Der Schlauchwechsel dauert
knapp 15 Minuten.
Es geht nun 100 Höhenmeter hinauf, aber ich bin noch im Zeitplan.
Bei der Abfahrt bricht mal wieder eine Speiche, außerdem ist da ein
neues Geräusch, das ich als Radlager vorn orte.
Ich erreiche die Fähre und treffe auch den Schotten wieder, der
sich hier mit ein paar Freunden trifft.
Die Überfahrt nach Port Askaig dauert 2,5 Stunden. In Port Askaig
ist mein Vorderrad platt und ich repariere die Speiche. Das
Geräusch vom Vorderrad ist immer noch da. Ich fahre nach Caol Ila,
die 1. der 8 Whisky-Brennereien von Islay. Den Abstecher nach
Bunnahabhain muss ich streichen. Es ist spät geworden und das
Fahrrad ist nicht in Ordnung.
Es geht quer über die Insel nach Bridgend, dann entlang der Bucht
nach Port Charlotte. Auf dem Weg liegt Brennerei Nr. 3.
Bruichladdich, die aber z. Zt. stillgelegt ist. Port Charlotte
entpuppt sich als kleiner gemütlicher Ort mit 2 netten Pubs. Die JH
ist in einem Warehouse der ehemaligen Destillerie untergebracht.
Ü: JH Port Charlotte / Islay
22. Tag, Samstag, 10.06.2000
(38,2 km, 1473,7 km)
Die Sonne scheint. Mit meinem quietschendem
Vorderrad erreiche ich Bowmore, den Hauptort der Insel. Ich lasse
die Vorderachse nachschmieren, das Geräusch ist weg. Während mein
Fahrrad zur Reparatur ist, besichtige ich die Bowmore-Destillerie
und den Ort. Am Nachmittag kommt starker Wind von Süden auf und es
ziehen dunkle Wolken heran. Mit dem Gegenwind komme ich kaum noch
voran. Kurz bevor ich meine gebuchte Unterkunft in Kintra erreiche,
fängt es an zu regnen. Mein geplanter Ausflug nach Lagavulin,
Laphroig und Ardbeg wird gestrichen. Auf den letzten Kilometern
spüre ich einen deutlichen Widerstand beim Trampeln....
Ü: Hostel Kintra / Islay
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