Großbritannien 2000: 
GB: "Von Land's End in Cornwall zu den Orkney-Inseln/ Nordschottland"

von Dieter Pinell         
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Reisezeit: 20.05.2000 - 24.06.2000
Verkehrsmittel:
Hercules Tourenfahrrad mit Reiseausstattung

Dies ist Dokumentation einer 5-wöchigen Fahrradtour quer durch Großbritannien, von Penzance in Südwest- England nach Stromness auf Orkney, Nordost-Schottland.

Teil 4:

23. Tag, Sonntag, 11.06.2000

(97,6 km, 1571,3 km)

Der Widerstand beim Trampeln ist so heftig, dass ich nun kleinste Erhebungen nicht mehr radeln kann und schieben muss. Nach 6 km bin ich in Port Ellen und nehme die Fähre zurück nach Kennacraig. Beim Filmwechseln versagt der Transportmechanismus von Kamera Nr. 2.
Von Kennacraig aus kann ich nur noch in den kleinen Gängen, ohne viel Drehmoment fahren, sobald das Drehmoment größer wird, blockiert der Antrieb. Es geht halbwegs flach über Tarbert nach Lochgilphead und weiter bis Kilmartin. Nun wird es wieder bergig und ich schiebe ausgiebig. Ab und zu regnet es.  Etwa 10 km habe ich mal wieder 'nen Platten am Hinterrad. Ich flicke jetzt nicht, sondern rette mich mit 4maligem Nachpumpen bis zur JH in Oban. Am Abend regnet es in Strömen, so dass ich in der JH bleibe.

Ü: JH Oban

24. Tag, Montag, 12.06.2000

(8,5 km, 1579,8 km)

Planmäßig ist dieser Tag als Ruhetag vorgesehen. In der JH flicke ich das Hinterrad, dann radele ich ohne Gepäck zum örtlichen Fahrradladen, der sich das Problem anschauen will. Ich mache mich im Regen auf in die Stadt, kaufe eine einfache neue Kamera und noch ein paar Vorräte, dann bin ich zur verabredeten Zeit wieder bei dem Fahrradhändler.
Diagnose: Die Hinterachse war gebrochen. Nun hat er in meine SACHS-Nabe eine Shimano-Achse eingebaut. Ich kaufe noch 2 Ersatzschläuche und einen Schaltungszug, dann hole ich an der JH mein Gepäck ab und radele zum Fähranleger.
Beim Abstoppen vor dem Terminalgebäude trete ich mit dem rechten Bein falsch auf und ein stechender Schmerz durchfährt meinen Wadenmuskel. Muskelfaserriss oder- zerrung. Ich kann kaum auftreten und humpele in den Wartesaal. Zum Glück ist die Muskelsalbe griffbereit und für alle Fälle habe ich eine Neoprenmanschette dabei. So kann ich mich erst mal notdürftig verarzten.

Im strömenden Regen schiebe ich mein Fahrrad aufs Schiff und suche mir gemeinsam mit 4 anderen Radlern einen Platz in der Lounge, wo ich mein Bein hochlegen kann. Das Schiff startet um 15 Uhr und soll um 21:30 in Lochboisdale ankommen. In den ersten 2 Stunden fahren wir durch den Sound of Mull, so dass wir noch vom offenen Meer geschützt sind, doch kaum erreichen wir den offenen Ozean wird es unruhig. Das Schiff rollt, schwankt, taumelt und wir sitzen im Heck des Schiffes. Zweimal gehen in der Bar reichlich Gläser kaputt. Essen oder trinken mag ich jetzt nicht mehr. Ich lege mich hin und versuche im Rollrhythmus des Schiffes zu atmen. Zwischenzeitlich hat die deutsche Fußballmannschaft das 1. Spiel der EM mit einem Unentschieden mühselig überstanden und wir schauen uns die Engländer gegen Portugal an.  Es steht 2:1 für England. Nach gut 3 Stunden wird es ruhiger. Unser Schiff hat Barra erreicht. Das Fernsehbild fällt aus. Als wir wieder Fernsehempfang haben, steht es 3:2 für Portugal und die Schotten an Bord freuen sich. 
Mit 1 Stunde Verspätung wegen  des Unwetters erreichen wir gegen 22.30 Uhr Lochboisdale. Mein repariertes Fahrrad fährt wieder und die kaputte Wade ist beim Radeln kaum zu spüren. Mein B&B liegt 4 km außerhalb und ich werde erwartet. Ich schaue noch ein wenig im Fernsehen und versorge den kaputten Muskel, dann gehe ich zu Bett.  

Ü: B&B Lochboisdale

25. Tag, Dienstag, 13.06.2000

(88,5 km, 1668,3 km)

Es stürmt. Die Vermieterin erzählt, dass alle Fähren gecancelt seien. Meiner Wade geht es schon besser. Als ich starte, kommt der Wind auf den ersten 3 km fast von vorn und ich muss ordentlich arbeiten. Dann drehe ich ab Richtung Norden und habe nun Rückenwind. Auf Uist gibt es nur eine richtige Strasse, die in Süd-Nord-Richtung verläuft. Die Insel ist sehr zersiedelt und immer wieder zweigen kleine Stichstrassen nach Ost und West ab. Die Strecke ist beinahe flach. In Westrichtung kann man den Ozean sehen, im Osten liegen die Berge der Insel.
Der Sturm schiebt mich beständig nach Norden. Ich erreiche den Causeway nach Benbecula und überquere auch diese Insel. Der nächste Causeway nach North Uist führt über mehrere kleine Inselchen und ist relativ lang. Nun muss ich ein Stück bis Carnish nach Westen, also gegen den Wind, radeln. Doch schon bald habe ich wieder Rückenwind.
Am frühen Nachmittag erreiche ich Lochmaddy. Es beginnt zu regnen und ich ziehe mich erst mal in einen Pub zurück.
Nach 1 Stunde geht es weiter, gegen den Wind nach Nordwest. Die Insel Bernerey ist seit 2 Jahren ebenfalls per Causeway erreichbar und beherbergt eine JH in einem reetgedeckten Black House. Die Sonne scheint. Etwa 2 km vor der JH blockiert mein Hinterrad. Es schleift am Rahmen. Ich befürchte schlimmstes und schiebe erst mal zur Jugendherberge.
Die Diagnose ist fatal: Erneut Achsenbruch, etwa 90 Straßenkilometer entfernt vom nächsten Fahrradladen. Jetzt ist Planung erforderlich, da ich nicht weiß, ob und welche Omnibusse auf welchen Inseln Fahrräder mitnehmen und ob in Stornoway oder Ullapool Reparaturen möglich sind. Die Frage lautet also auch: Zurück nach Oban oder über Stornoway und evtl. Ullapool nach Inverness. Muss ich evtl. das Fahrrad irgendwo zurücklassen und mit dem ausgebauten Hinterrad weiter zum nächsten Laden?

Ich entschließe mich, mit der Fähre vom Causeway nach Helensburgh auf Harris hinüberzusetzen, um dann evtl. auch ohne Fahrrad mit dem Bus nach Stornoway zu fahren.  

Ü: JH Berneray

26. Tag, Mittwoch, 14.06.2000

(6,2 km, 1674,5 km)

Ich schiebe also am nächsten Morgen die 3,5 km zum Fähranleger. Die Überfahrt durch die felsige Passage dauert bei strahlendem Sonnenschein eine knappe Stunde. Kurz nach der Landung in Helensburgh kommt der Bus. Fahrradtransport? Kein Problem. Die Fahrt über die Single-Track-Strassen von Harris und Lewis ist traumhaft. Zuerst geht es auf Harris entlang der Küste mit immer wieder tollen Ausblicken, dann geht es hinauf in die felsige Mondlandschaft. Nach 1 Stunde sind wir im Fährort Tarbert, wo der Fahrer 10 Minuten Pause macht. Die Strecke von Tarbert nach Stornoway bin ich bereits 1995 geradelt, jetzt, aus dem Bus schauend, kommen die Erinnerungen hoch. Schade, dass ich es heute nicht selber fahren kann.
Gegen 15 Uhr sind wir in Stornoway. Der Busfahrer erklärt mir den Weg zum Fahrradladen. Der Ladeninhaber sagt, er braucht 2 Stunden und ich erkunde die Stadt, checke dann in einem privaten Hostel ein. Gegen 17:30 hole ich mein Fahrrad ab. Der Laden hat ein vollständiges Hinterrad montiert. Shimano-Achse und 7fach-Zahnkranz. Dünne Speichen und RIGIDA-Schmalspur-Felge.

Mein kaputtes Hinterrad nehme ich mit.

Ü: Hostel Stornoway

Donnerstag, 15.06.2000

(10,5 km, 1685,0 km

Die Probefahrt bei herrlichstem Sonnenschein endet grausig. Der 37er-Mantel sitzt schief auf der zu schmalen Felge. Dann dies: Die Kette springt bereits nach wenigen Metern über das 7te Ritzel und 3 Speichen brechen... Ich beschliesse die Radikalkur.
Ich zerlege sowohl das alte als auch neue Hinterrad und die Bastelei beginnt. Aus alter Felge, alten Speichen und der neuen Nabe baue ich innerhalb von 2 Stunden ein neues Hinterrad auf. Die Feinjustage dauert dann weitere 2 Stunden. Da nun einige Speichen zu weit in die Felge hineinragen, kommt die Flachfeile zum Einsatz. Einige Speichen sind nicht mehr ordentlich anzuziehen, auch eine der Notspeichen kommt schon zum Einsatz. Aber gegen 16 Uhr  kann ich Felgenband, Mantel und Schlauch montieren, den Zahnkranz festziehen und das Rad einbauen.
Ich mache noch ein kurze Probefahrt, die ich bald wegen Regens abbreche. 

Ü: Hostel Stornoway

28. Tag, Freitag, 16.06.2000

(75,5 km, 1760,5 km)

Bereits um 5:00 Uhr weckt mich mein Radiowecker. Ich packe meine Sachen zusammen und verlasse das Hostel. Um 5:30 Uhr muss ich am Fähranleger für die Frühfähre einchecken. Um 6:15 ist Abfahrt, gegen 7:00 Uhr frühstücke ich an Bord. Ich treffe einen Mitarbeiter von British Telecom, mit dem ich mich den Rest der Überfahrt unterhalte.

Um 9:00 Uhr legen wir in Ullapool an. Ich fahre zur JH und mache eine Reservierung für Carbisdale Castle, denn ich habe meine Reiseroute geändert. Dann fahre ich im Sonnenschein gen Norden. Bald verlasse ich die Küste und es geht bergauf- bergab über Elphin zur Ladmore- Straßenkreuzung. Anstatt mich, wie ursprünglich geplant, weiter nordwestlich zu halten, biege ich hier ab Richtung Ostküste. Es geht durch eine einsame Moorlandschaft. Die Angst fährt jetzt ständig mit, hält das notdürftig zusammengeschusterte Hinterrad? Nach 50 km habe ich eine Reifenpanne hinten. Wegen der Isobandlagen geht der Mantel kaum noch ab. Erneut kommt die Feile zum Einsatz. Gegen 18 Uhr bin ich in Invershin und überquere illegal die Eisenbahnbrücke (siehe Tour 1999...).
Dann bekomme ich in der imposanten JH Carbisdale Castle ein Einzelzimmer und ein gutes Abendessen.   

Ü: JH Carbisdale Castle

29. Tag, Samstag, 17.06.2000

(71,3 km, 1831,8km)

Nieselregen. In Bonar Bridge wechsele ich auf die alte Bundesstrasse nach Nordost. 5 km weiter habe ich erneut eine Reifenpanne. Also wieder Flicken, Abfeilen und eine neue Lage Isoband. Der Mantel lässt sich nur mit Mühen wieder draufziehen. Vorsichtig geht es weiter. Bei Clashmore komme ich auf die Küstenstrasse, die aber an diesem Wochenende nicht stark befahren ist. Es geht nach Golspie. 
Kurz vor Brora reisst eine Speiche und das Hinterrad schleift. Die vorletzte Notspeiche kommt zum Einsatz. Auch vorn wird eine kaputte Speiche ausgewechselt. Noch befinde ich mich parallel zur Eisenbahnstrecke. Da ich keine Lust habe, auf den kommenden Etappen, fern der Eisenbahn, ständig in Angst zu leben, dass das Hinterrad nicht mehr zu reparieren ist,  beschließe ich, die Tour in Helmsdale abzubrechen. 
In Helmsdale checke ich in der JH ein, dann besichtige ich den Ort und kläre am Bahnhof die Abfahrtszeiten. Da Sonntags kein Zug fährt, werde ich bis Montag hier bleiben. Reservieren kann ich hier nicht und der Mann am Infotelefon in Inverness sagt, dass ich frühestens am Montag abend einen Platz bekommen könnte, eine Reservierung aber per Telefon nicht möglich sei. So etwas nennt man Kundendienst...

Ich gehe in den Pub. Das EM-Spiel England-Deutschland hat schon begonnen. Etwa 50 Pub-Besucher, die Einheimischen, feuern Deutschland an. Als das 1:0 für England fällt, jubelt jemand. Es ist ein Engländer, der wie ich in der JH übernachtet.
Die Enttäuschung über Deutschlands Niederlage gegen ihren Todfeind England wird von den Schotten dann relativ leicht weggesteckt.  

Ü: JH Helmsdale

30. Tag, Sonntag, 18.06.2000

(0 km, 1831,8 km)

Ich verbringe den Tag in Helmsdale. Interessant ist vor allem das örtliche Museum.  

Ü: JH Helmsdale

31. Tag, Montag, 19.06.2000

(2,6 km, 1834,4 km)

Am Morgen rolle ich zum Bahnhof. Gegen 10 Uhr kommt der Zug. Nach kurzer Verhandlung mit dem Schaffner darf ich mein Fahrrad verladen und bin kurz vor 12 Uhr in Thurso. Ich checke im Hostel ein, dann besuche ich die Stadt. Nachmittags hole ich mir in der Hochschul- Bibliothek ein Passwort und surfe stundenlang gratis im Internet.

Ü: Hostel Thurso

32. Tag, Dienstag, 20.06.2000

(6,2 km, 1840,6 km)

Bis zum Fährhafen Scrabster sind es nur 5 km. Im Nieselregen legt die Fähre nach Orkney ab. Als wir an dem berühmten „Old Man Of Hoy“, einem allein stehenden Felsen vorbeifahren, ist dieser im Dunst kaum zu erkennen. Dann sind wir in Stromness und ich erkunde den Ort. Um 17 Uhr checke ich in der Jugendherberge ein, die Übernachtung war seit Ayr gebucht. Im Pub schaue ich Portugal-Deutschland. Mit 0:3 fliegt die deutsche Elf aus dem EM-Turnier.  

Ü: JH Stromness

33. Tag, Mittwoch, 21.06.2000

(2,3 km, 1842,9 km)

Ich nehme den Bus in die grösste Stadt von Orkney. In Kirkwall besuche ich „Highland Park“, die Destillerie meiner Lieblings-Whisky-Sorte. In der Stadt schaue ich mir die Magnus-Kathedrale und das Museum an, dann geht es per Bus zurück nach Stromness. Um 17 Uhr hole ich Fahrrad und Gepäck an der JH ab. Im Stromness- Hotel gönne ich mir ein Abschiedsessen, dann checke ich auf der Stromness-Aberdeen-Fähre ein. Um 22 Uhr legen wir ab.  

Ü: Fähre Stromness-Aberdeen

34. Tag, Donnerstag, 22.06.2000

(8,5 km, 1851,4 km)

Nach ruhiger Überfahrt erreichen wir leicht verspätet Aberdeen. Ich schiebe hinüber zum Bahnhof, besteige meinen Zug und bin mittags in Edinburgh. In der JH ist mein Bett gebucht, nach dem Einchecken geht es in die Stadt.  

Ü: JH Edinburgh (Bruntsfield)

35. Tag, Freitag, 23.06.2000

(0km, 1851,4 km)

Ich erkunde Edinburgh und mache ein paar Einkäufe.  

Ü: JH Edinburgh (Bruntsfield)

36. Tag, Samstag, 23.06.2000

(17,2 km, 1868,6 km)

Zum vorletzten Male packe ich meine Sachen. Ich fahre zum Bahnhof. Die Reise nach Newcastle dauert 2 Stunden. Ich verbringe nur eine kurze Zeit im Stadtzentrum, dann mache ich mich auf die letzten 13 km der Reise. Kurz vor dem Hafen mache ich nochmals eine Rast, dann kann ich nach den üblichen Kontrollen direkt bis auf das Schiff radeln. Meine Kabine teile ich mit einem anderen Radler aus Utrecht, mit dem ich auch den Abend verbringe.  

Ü: Fähre Newcastle-Amsterdam

37. Tag, Sonntag, 24.06.2000

(0,4 km, 1867,0 km)

Pünktlich um 9:30 sind wir in Ijmuiden. Andreas ist mit meinem Auto auch schon da. 
Wir fahren via Utrecht, Eindhoven und Lüttich. Dann geht es durch die Ardennen in die Eifel. Bitburg, Trier. Im Moseltal wird auf luxemburgischer Seite getankt und gegen 15 Uhr sind wir in Besch, wo wir meinen Hund Lucky abholen. 

Über die Moselautobahn geht es nach Koblenz, wo wir wegen Staus die Autobahn verlassen. Über die B9 fahren wir über Bonn nach Köln, dann die A1 bis Hagen. Um 20 Uhr setze ich Andreas zu hause ab, kurz vor halb neun bin ich nach 37 Tagen wieder zu hause.

Fazit:
Natürlich hätte ich die Tour gerne zu Ende gefahren, mußte aber zum Schluß der Tour doch dem hohen Verschleiß Tribut zollen. 
Im Laufe dieser Tour wurde mir dann auch immer klarer, daß ich vermutlich eine Reise dieses Ausmaßes mit dem Fahrrad in den kommenden Jahren nicht mehr machen werde. 
Als Konsequenz habe ich mir im Herbst 2001 einen VW-Bus mit Campingausbau gekauft.

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Zuletzt geändert:  07. Januar 2002
dp2002